Köln ist seit jeher ein bedeutender Handelsstandort und Verkehrsknotenpunkt.
Seit fast 100 Jahren behauptet sich das Kölner Traditionsunternehmen Emons im dynamisch wachsenden Markt für Spedition und Logistik. Gründe für den Erfolg nennt Ralf Wieland, CEO und Vorsitzender der Geschäftsführung, im Interview mit dem Kölnmagazin.
Herr Wieland, was zeichnet Emons besonders aus?
Den Dienstleistungsgedanken ganz tief in unserem Herzen zu tragen. Dem Kunden empathisch in die Augen zu schauen und zu antizipieren, an welchen Stellen wir tätig werden können, damit der Kunde seine Dienstleistung verbessern kann. Der Gedanke dahinter: Aus der Perspektive der Kunden unserer Kunden zu denken. Das ist unsere DNA, und so wollen wir uns auch verstanden wissen. Nur so können wir als mittelständisches Unternehmen in einem hart umkämpften Markt bestehen. Wenn wir das gut hinbekommen, können wir auch zuversichtlich in die Zukunft schauen.
Resultiert diese Kundenorientierung in langfristigen Geschäftsbeziehungen?
Teilweise für ewig. Wer einmal unsere „Emons-ionalität“ erlebt hat, weiß das auch zu schätzen. Wir sind da, wir sind ansprechbar und kümmern uns persönlich.
Es entscheidet also nicht nur der Preis?
Der Preis ist natürlich ein wichtiges Thema, keine Frage. Aber es ist nicht nur der Preis, viele wissen auch Qualität zu schätzen.
Qualität heißt in Ihrem Segment?
Termintreue, Zuverlässigkeit, Verlässlichkeit.
Das hat viel mit Vertrauen zu tun, oder?
Vertrauen, Qualität und Verantwortung sind unsere Werte, die wir auch nach außen tragen. Diese drei Markenbotschaften stellen uns am besten dar.
Wie sind Sie durch die vergangenen eineinhalb Jahre und Lockdowns gekommen? Sie gehören ja fast schon zum „systemrelevanten“ Bereich.
Das „fast“ können Sie weglassen, wir sind systemrelevant. Ich mache mal das ganze Thema Ersatzteile auf. Ganz viele Ersatzteile werden über uns geliefert, über 80 Prozent unserer Aufträge finden im B2B-Bereich statt. Ohne Ersatzteile stehen im Zweifel die Bänder still und Lieferketten brechen ein. Wir liefern aber genauso Konsumgüter. In der Pandemie waren wir im Übrigen einer der ersten, der mit Charterfliegern über Kasachstan nach China geflogen ist, um dort Masken zu besorgen.
Und Ihr eigentliches Geschäft?
Im März 2020 haben wir langsam gemerkt, dass es schwieriger wird. Im April und Mai hat es sich dann endgültig im Geschäft niedergeschlagen. Nach dieser Delle konnten wir im Juni eine Trendwende erkennen, ab Juli haben wir uns dem Vorjahresniveau wieder angenähert. Insbesondere das vierte Quartal war dann ausgesprochen stark. Am Ende des Jahres 2020 sind wir kumuliert fast auf dem Niveau des Vorjahres rausgekommen.
Haben Sie das veränderte Einkaufsverhalten in Richtung E-Commerce gespürt?
Gerade im Lockdown hat B2C unser Geschäft deutlich verändert. Da haben sich Warenströme verlagert. Und ich glaube, davon wird auch etwas hängen bleiben.
Nach Corona wird also nicht alles wieder wie vorher?
Das glaube ich in der Tat. Weil die Menschen festgestellt haben, dass es so ja eigentlich ganz bequem ist. Genau das hat einen Veränderungsprozess herbeigeführt. Es gibt einfach auch Produkte, die sich über das Internet und in der Direktanlieferung wunderbar beschaffen lassen. Zum Beispiel ein Gartenhäuschen oder die Schaukel für die Kinder.
Wie ist Ihre gegenwärtige Situation?
Aktuell ist es so, dass die Logistikbranche eher ein Problem mit „zu viel“ hat. Wir erleben einen ungemeinen Boom und versuchen Leute zu motivieren, in eine Branche zu gehen, die vielleicht in der Außendarstellung nicht immer ganz so schick ist. Das ist aber überhaupt nicht so. Wir sind eine hoch innovative Branche und ein ebenso innovatives Unternehmen. Jeder, dem ich erkläre, was wir alles machen, ist ganz positiv überrascht.
Also keine einsamen Nächte auf Autobahnparkplätzen?
Gar nicht. Um mal einen Größenvergleich zu machen. Wir haben aktuell rund 300 eigene Fahrzeuge im Bestand und dann noch mal rund 1.000 Subunternehmerfahrzeuge, die für uns tagtäglich fahren. Von diesen 1.300 Fahrzeugen sind es vielleicht 50, die auch mal länger unterwegs sind. Die meisten unserer Lkw-Fahrer starten morgens und sind abends wieder zurück oder fahren abends los und sind morgens zurück, wenn sie eine Nachtschicht fahren. Eine ganz normale Schichtarbeit mit acht bis neun Stunden Arbeitszeit, je nachdem, wie die Tour ist und was die Lenk- und Ruhezeiten zulassen.
Schränkt das denn nicht Ihre Reichweite ein?
Nein, denn wir haben ein Netzwerk mit diversen Niederlassungen in ganz Europa, die untereinander wieder vernetzt sind. Die nachts untereinander Regelverkehre abbilden – mit festgelegten Strecken und Zeiten. Ein europäisches Beispiel: Wenn jemand in Köln einen italienischen Roller bestellt, wird der zunächst vom Hersteller aus Italien nach München transportiert. In München kommen ganz viele Sendungen zusammen – aus verschiedenen europäischen Ländern. Dort werden Lkws gestaut und dann über Nacht unter anderem nach Köln gefahren. Hier wird die Ware auf kleinere Verteilerfahrzeuge gesetzt, die in der Region in einem Radius von rund 60 Kilometern um Köln zustellen, unter anderem den bestellten Roller.
Also bis zum Point of Sales?
Ja, oder auch bis zum Endkunden.
Wen beschäftigen Sie neben den Fahrern?
Wir betreiben zum Beispiel über 250.000 Quadratmeter an Logistikflächen. Und wir sind auch Bahndienstleister.
Haben Sie eigene Lokomotiven?
Aktuell haben wir fünf Loks, die auf bestimmten „Rennstrecken“ fahren, insbesondere zwischen Hamburg und Dresden sowie von Hamburg nach Leipzig und Chemnitz. An den drei Standorten Dresden, Leipzig und Chemnitz betreiben wir auch Container-Umschlagterminals – so ähnliche wie hier in Köln das Eifeltor.
Bleiben Wasser und Luft …
Auch das machen wir. Wir haben zwei Seehafenbüros in Bremen und Hamburg, wo wir Container von und nach Deutschland bringen. Außerdem sitzen wir an allen großen deutschen Flughäfen und auch in Taiwan, Hongkong, Detroit, Los Angeles, New York und Chicago.
Was macht das als Gesamtunternehmen aus?
Vordergründig haben wir gut 3.200 Mitarbeiter. Aber wenn man die Vielzahl derer dazu zählt, die exklusiv für uns arbeiten, kommen wir auf eine viel größere Zahl von Menschen, die wir beschäftigen.
Können Sie trotz ihrer internationalen Ausrichtung mit dem Standort Köln bei der Mitarbeitergewinnung punkten?
Gerade für das Headoffice ist Köln sehr reizvoll, weil wir hier die Führungsmannschaften, Bereichsleiter und Zentralleiter sitzen haben. Da ist eine attraktive Großstadt schon hilfreich, um auch Leute zu rekrutieren, die aus anderen Regionen kommen. Ich finde es auch ausgesprochen gut, wie Köln funktioniert und dass Köln zugleich eine „kleine Großstadt“ ist: Man kommt doch immer wieder mit denselben Leuten relativ schnell zusammen.
Würden Sie zustimmen, dass die Geschichte Kölns als Handelsmetropole, der Rhein als Wasserstraße, das Vorhandensein von Autobahnring und Flughafen zusammengenommen begünstigt haben, dass ein Unternehmen wie Emons hier entstanden und gewachsen ist?
Aus der Historie heraus sind das mit Sicherheit Vorteile für die Unternehmensentwicklung gewesen. Auch die Kölner Industrie war eine Triebfeder, die uns groß gemacht hat. Dazu die großen Handelskonzerne wie Kaufhof und Co., mit denen wir damals stark gewachsen sind. Mittlerweile haben wir einen anderen Kundenfokus.
Heute sind Sie dezentraler?
Wir sind europäischer und auch in Deutschland breiter aufgestellt. Wir haben uns aus Köln heraus entwickelt. Und alle Wurzeln liegen in Köln.
Und sollen es auch bleiben?
Wir sind ein alteingesessenes Kölner Familienunternehmen, 1928 gegründet und damit fast seit 100 Jahren hier ansässig. Die Gründerväter, die erste Generation und Teile der zweiten Generation kommen aus Köln. Das gibt man nicht einfach so auf. Wobei unser Headoffice langsam aus allen Nähten platzt, da wir gerade in den letzten zehn Jahren deutlich gewachsen sind. Zwischenzeitlich sind wir damit auf mehrere Gebäude verteilt.
Dann gibt es noch die Niederlassung in Porz.
Das ist für uns ein ganz entscheidender Standort, an dem wir etwa 100 Fahrzeuge haben.
Tangiert Sie eigentlich das Lieferkettengesetz?
Nein, das betrifft eher unsere Auftraggeber.
Und der Brexit?
Der Brexit ist eine große Herausforderung. Viele unserer Kunden haben ausschließlich im EU-Raum agiert. Jetzt sind sie auf einmal wieder mit einer Außengrenze und Zoll konfrontiert. Zum Glück haben wir dafür einen eigenen Zollbereich, der unsere Kunden berät.
Ein Alleinstellungsmerkmal?
Das kann nicht jeder. Es ist tatsächlich anspruchsvoll, aber auch wiederum eine Chance, weil wir jetzt Zolldienstleistungen verkaufen können. Wir haben ein hervorragendes Team, das sich auf Zoll-Consulting spezialisiert hat.
Findet das von Köln aus statt?
Ja, durch unsere Firma Cologne Customs Consulting.
Eine letzte Frage: Hat es ein traditionsbewusstes Familienunternehmen schwerer, auf Veränderungen zu reagieren?
Zumindest ist es eine Herausforderung. Da muss man sich nur den Bereich der Digitalisierung anschauen. Die dafür notwendigen Investitionen müssen Sie als Mittelständler auch erst mal stemmen. Wir sind glücklicherweise ein recht großes Familienunternehmen und konnten einen neuen Bereich schaffen, in dem wir uns mit allen Lesarten von Digitalisierung befassen – interne wie externe. Wir beteiligen uns an Startups, gehen neue Wege, versuchen neue Geschäftsmodelle zu kreieren und diese dann auch wieder auszugründen. All das schaffen wir als Mittelstand, und das macht mich auch stolz.
Das Interview führte Marko Ruh, Chefredakteur Kölnmagazin.
Copyright: Birgitta Petershagen