Henriette Reker stellt Köln als internationalen Wirtschaftsstandort in den Fokus. Im Interview mit dem Köln­magazin nennt die Oberbürgermeisterin als besondere Stärken der Stadt unter anderem die ausgezeichnete Verkehrsanbindung, die Branchenvielfalt und den regen Büroimmobilienmarkt. Zugleich hebt Reker auch die Bedeutung von Kunst und Kultur für die ökonomische Entwicklung hervor.

Frau Oberbürgermeisterin, Sie sagten unlängst, Sie fahren als Kölnerin natürlich Ford, was ist sonst noch typisch für Köln?

Ich fahre Ford, weil wir als Stadt Köln ein klares Bekenntnis zu diesem größten Kölner Unternehmen und Arbeitgeber ablegen. Privat fahre ich Fahrrad oder nehme gerne auch die KVB. Was ist typisch für Köln? Köln ist eine höchst attraktive Stadt. Jüngste Umfragen zeigen erneut, dass insbesondere die Attraktivität für junge Leute sehr hoch ist. Das liegt an der Atmosphäre von Weltoffenheit und der Toleranz, die hier gelebt wird. Die Kölner sind stolz auf ihre Stadt, ganz besonders auf den Dom, und das zeigen sie gerne ihren Gästen. Die Kölner identifizieren sich mit ihrem FC, auch mit den Marken und Produkten ihrer Stadt. Und das ist gut so.

Und wie steht es mit dem Wirtschaftsstandort Köln?

Ich finde es bedauerlich, dass das Ansehen Kölns in den letzten Jahren durch verschiedene Ereignisse gelitten hat. Deshalb möchte ich es wieder dahin bringen, wo es hingehört: Dass Köln nicht nur als attraktive Stadt zum Leben wahrgenommen wird, sondern auch als internationaler Wirtschaftsstandort, als viertgrößte Stadt Deutschlands, in der man  gut und sicher leben und erfolgreich seine Geschäfte machen kann. Durch die Qualität dieses wichtigen Verkehrsknotenpunktes, den wir ja nun haben, kommen Menschen aus Europa und der ganzen Welt, um sich hier zu treffen. Das muss wieder nach vorne gestellt werden.

Gibt es gewisse Klischees, unter denen die Marke Köln gelitten hat und von denen Sie wieder wegkommen wollen?

In der Außenwahrnehmung – und das ist ja keinesfalls die Realität – spielen Events eine sehr große Rolle. Die sind ja auch schön: Wir lieben alle unseren Karneval, wir lieben unseren CSD und unsere Weihnachtsmärkte. Es gibt da aber noch viel mehr, was Köln ausmacht: Die Bedeutung als einmaliger Kunst- und Kulturstandort kommt mir beispielsweise deutlich zu wenig vor.

Ist das auch wirtschaftlich relevant?

Kunst und Kultur sind harte Standortfaktoren für mich. Sie sind für mich die Grundlage für unseren Tourismus. Dann: Wir haben eine attraktive Messe mitten in der Stadt – ich kenne keine andere Stadt, die das hat. Sie müssen überall auf der Welt zunächst einmal eine halbe Stunde fahren, um auf einem Messegelände zu sein. Hier in Köln gehen Sie über die Hohenzollernbrücke, dann sind Sie da. Dabei sehen Sie sofort das Museum Ludwig, ein Flaggschiff! Daneben das Römisch-Germanische Museum – wunderbar. Wir haben das Wallraff-Richartz-Museum, das ja noch erweitert werden soll. Wir haben die wunderbare Philharmonie mit internationalen Konzerten. Wir müssen es schaffen, uns so zu vermarkten, dass Menschen nicht nur zum Feiern nach Köln kommen, sondern auch, um uns als Kunst- und Kulturstandort wahrzunehmen. Ich möchte, dass wir ein viel stärkeres Kulturmarketing betreiben.

Sie haben es erwähnt: Die Erreichbarkeit, zum Beispiel der Messe, ist außerordentlich günstig, aber es gibt eben auch erhebliche Probleme aufgrund des Sanierungsstaus. Haben Sie Maßnahmen ergriffen, um Verbesserungen herbeizuführen?

Das Problem ist, dass man in den letzten Jahrzehnten nicht annähernd das in die Verkehrsinfrastruktur investiert hat, was empfohlen wird. Wir haben hier in Köln rund 2.600 Straßenkilometer. Für deren Sanierung werden 1,20 Euro pro Quadratmeter empfohlen, wir geben nur 60 Cent aus – seit Jahrzehnten. Darum haben wir die schwierige Verkehrssituation, die jetzt auch noch auf die Anforderungen einer wachsenden Stadt prallt. Hier laufen zwei Probleme aufeinander zu: Einerseits die unzureichende Investitionstätigkeit der letzten Jahre, andererseits die wachsende Stadt, mit mehr Verkehr und mehr Autos, das Ganze auf einem mittelalterlichen Stadt-Grundriss, der nicht dafür gemacht ist, immer mehr Fahrzeuge aufzunehmen. Deshalb brauchen wir dringend einen Ausbau des ÖPNV, aber auch einen Ausbau der Radwege. Denn es sind auch mehr Leute mit dem Fahrrad unterwegs als früher. Darauf müssen wir uns einfach einstellen, andere Städte tun das auch.

Das wäre ja vielleicht auch eine Lösung für den Berufsverkehr…

Es ist ein Ansatz. Man kann das nur schaffen, indem man mehreres parallel macht: Den ÖPNV ausbauen, aber auch darüber nachdenken, ob man eine andere Ost-West-Achse einzieht und ob man wieder U-Bahnen baut.

Haben Sie ein Hauptziel für Ihre Amtszeit? Oder ist es eher ein Bündel von Themen, die zusammenspielen?

Es ist natürlich ein Bündel von Themen. Mir ist jedoch wichtig, den Wirtschaftsstandort in den Mittelpunkt zu stellen, weil mir vollkommen klar ist, dass nur eine Stadt, in der die Wirtschaft funktioniert, auch Einnahmen generieren kann, die viele andere Dinge ermöglichen. Ich habe als Sozialdezernentin immer ungefähr das ausgegeben, was durch die Gewerbesteuern eingenommen wurde. Das ist ein krasses Missverhältnis: Wir können durch Gewerbesteuern unseren Haushalt nur zu rund 28 Prozent finanzieren, in München sind es über 40 Prozent.

Heißt das, Gewerbesteuern hoch?

Auf keinen Fall. Das wäre abschreckend. Die Lösung muss heißen: Ansiedlung von mehr Unternehmen, die Stadt unternehmerfreundlicher aufstellen und die Entscheidungen auf den Wirtschaftsstandort zuschneiden. Den Wirtschaftsstandort Köln zu stärken, ist die eindrucksvollste Sozialpolitik, die es gibt. Eine prosperierende Wirtschaft ermöglicht auch ein attraktives kulturelles Angebot.

Da wären wir auch bei den Büroimmobilien. Die Nachfrage ist groß, aber es fehlt an Büroflächen. Was kann man da tun in einer wachsenden Stadt?

Der Kölner Büromarkt entwickelt sich auf hohem Niveau sehr positiv, trotzdem ist die Nachfrage höher als das Flächenangebot. Das Investitionsvolumen in unserer Stadt ist so hoch wie nie: Attraktive Büroflächen in bester Innenstadtlage entstehen aktuell zum Beispiel im Coeur Cologne am Breslauer Platz oder am ehemaligen Allianz-Standort am Kaiser-Wilhelm-Ring. Auch die rechte Rheinseite rückt immer mehr in den Fokus von Investoren und Projektentwicklern: Rege Bautätigkeit verzeichnen wir im Deutzer Feld in citynaher und verkehrsgünstiger Lage, konkrete Pläne gibt es für die MesseCity. Mit der Zurich Versicherung als Startschuss wird dieses Filetstück der Stadtentwicklung im Rechtsrheinischen den Wirtschaftsstandort Köln insgesamt beflügeln.  Die besondere Herausforderung liegt in der Sicherung der Flächenbedarfe in Konkurrenz mit unterschiedlichen Nutzungsansprüchen. Wir müssen eben bauen – aber wir haben einen Umsetzungsstau. Wir haben keinen Mangel an Ideen, sondern die Strukturen in der Verwaltung sind nicht so, dass sie auf schnelles, dienstleistungsbetontes Verwaltungshandeln ausgerichtet sind. Und das wird sich ändern.

Projekte ziehen sich also zu lang hin…

Sie werden bislang oft gar nicht als Projekt behandelt, Ämter arbeiten zum Teil nebeneinander her. Wir müssen Strukturen schaffen, die schneller funktionieren.

Und bei den Gewerbeimmobilien: Ist da noch etwas rauszuholen in und um Köln? Kann man vielleicht noch weiter in die Fläche gehen?

Man muss auch Gewerbegebiete in Kooperation mit den Nachbarn in der Region ausweisen. Ich finde es letztlich vor allem wichtig, dass Gewerbegebiete da sind. Wenn das dann eben in Hürth passiert, profitiert auch Köln davon. Wir sollten uns meines Erachtens viel mehr nach außen öffnen und dann den Mehrwert aller sehen – in der Region denken, nicht so selbstbezogen wie früher. Die Menschen, die  außerhalb arbeiten, wohnen vielleicht in Köln, oder andere arbeiten hier und konsumieren hier, wohnen aber außerhalb. Es ist ja keine Stadtmauer mehr gezogen, die haben wir vor 200 Jahren hinter uns gelassen.

Gibt es Wirtschaftszweige, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Die Wirtschaftsstruktur Kölns ist geprägt durch eine große Branchenvielfalt und eine Mischung von Unternehmen sehr unterschiedlicher Größe. Wir sind Zentrum der Versicherungswirtschaft, Industriestandort und Medienstadt. Köln ist jüngst zur digitalen Hauptstadt gekürt worden. Generell kommt im Zuge der Digitalisierung den Informations- und Kommunikationstechnologien über alle Branchen hinweg eine zentrale Bedeutung zu. Mit rund 11.000 Unternehmen der ITK-Branche nimmt die Wirtschaftsregion Köln auch in diesem Bereich eine Spitzenposition ein. Start-ups sind wichtig für Köln. Ich möchte, dass es innerhalb der Verwaltung Lotsen gibt, die in den einzelnen Ämtern die Grundlagen dafür legen können, dass es schnell zu Umsetzungen und Unternehmensgründungen kommt. Insgesamt stelle ich mir eine viel deutlichere Sichtbarmachung der Wirtschaftsförderung vor.

Heißt das eine Expansion der Wirtschaftsförderung?

Das heißt eine Stärkung, das heißt aber auch, einen Standort der Wirtschaftsförderung zu etablieren, der leichter wahrzunehmen und zu erreichen ist – und an dem der alte Grundsatz „one face to the customer“ wirklich realisiert wird.

Bei gleichzeitiger Verschlankung der Verwaltung oder einfach nur einer anderen Strukturierung, die Sie ja bereits angedeutet haben?

Es kommt immer darauf an, was man unter Verschlankung versteht. Also ich kann mir beim besten Willen keinen Stellenabbau vorstellen angesichts wachsender Aufgaben in einer wachsenden Stadt. Wir haben jetzt gerade fast 1.000 Stellen hinzugesetzt im letzten Haushalt. Das können wir nur nicht jedes Jahr machen. Wir müssen Menschen effizient und charismabetont einsetzen, nicht danach, wie sie eingruppiert sind. Das kann nicht das einzige Kriterium sein, sondern auch: Woran haben die Mitarbeiter Spaß, womit können sie sich bei ihrer Arbeit am meisten identifizieren?

„Charismabetont“ – das zeugt von einem neuen Politikstil, den Sie auch angekündigt hatten. Merken auch Sie schon etwas von einem neuen Stil?

Also, ich spüre eine deutliche Aufbruchstimmung. Wichtig ist allerdings, dass diese auch von der Stadtgesellschaft ausgeht. Ich habe schon im Vorfeld meiner Wahl gesagt, dass es mir auf die besten Ideen ankommt: Und darauf, wirkliche Experten zu befragen und die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen. Wir haben jetzt die Chance dafür nach Ereignissen, die wir nacheinander erlebt haben und die nicht unbedingt zur Steigerung unseres Ansehens beitrugen. So eine Stimmung kann jedoch nicht alleine vom Büro der Oberbürgermeisterin ausgehen, das muss auch von der Stadtgesellschaft getragen werden.

Was ist noch für Sie wichtig?

Was für mich immer auch ein Thema bleiben wird, ist das Zusammenleben der Menschen. Integration ist ein wichtiges Thema für diese Stadt. Auch da kommen Erfolge nicht auf wundersame Weise ohne Investition zustande. Das ist ein Thema, was ich hier im OB-Büro ansiedeln werde.

Was wünschen Sie sich ganz persönlich für Ihre Stadt?

Ich wünsche mir am meisten, dass jeder, der in Köln lebt, stolz auf seine Stadt ist und das auch vor sich herträgt.

 

Interview: Marko Ruh, Foto: Birgitta Petershagen