Es gilt als das derzeit größte Bauprojekt der Stadt: Mit dem I/D Cologne werden in Köln-Mülheim neue Büroflächen für rund 7.000 Arbeitsplätze geschaffen. Über den aktuellen Stand des Vorhabens geben die beiden Projektleiter im Doppelinterview Auskunft – Simon Weber von Art-Invest und Holger Kirchhof von Osmab.
Es sind herausfordernde Zeiten, und dennoch: Über was freuen Sie sich?
Weber: Wir freuen uns, dass wir das Projekt in dieser Zeit erfolgreich weiterentwickeln, dass es funktioniert hat, trotz Corona Mieter insbesondere im Gastronomiebereich zu generieren, dass wir eine sehr hohe Nachfrage haben und dass die Baustellen so gut laufen, dass wir heute den ersten Bauabschnitt mit den ersten beiden Häusern als fertig betrachten können.
Kirchhof: Über den Ausblick auf diesen wunderschönen Platz, der bei den Werkstattverfahren eine wichtige Rolle gespielt hat. Dieser Platz ist für die Öffentlichkeit da, für die Bevölkerung Mülheims als Verbindung zum ehemaligen Industriestandort.
Sie sind also zuversichtlich, dass es hier mit den vielzitierten kurzen Wegen zwischen Arbeit, Wohnen und Freizeit klappt?
K: Ja, das war für uns von Anfang an ein Ziel, dass es kein reiner Gewerbestandort wird, wo um 18 Uhr das Licht ausgeht, sondern dass hier quasi rund um die Uhr für alle Menschen Leben stattfindet. Wenn im E-Werk, im Palladium oder im Schauspiel im September wieder die ersten Veranstaltungen starten, sollen die Menschen anschließend zu uns kommen, können hier noch was essen oder trinken und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.
Also keine Sterilität und tote Hose wie in anderen Büroquartieren?
W: Das durchbrechen wir durch den Nutzungsmix, den wir hier haben. Neben Büros schaffen wir viele Angebote, die eine hohe Frequenz bringen und lange Öffnungszeiten bieten. Das Moxy-Hotel, das hier gegenüber mit 222 Zimmern eröffnet, wird an 365 Tagen im Jahr offen sein, mit einer eigenen Hotelbar, wo auch After-Work-Partys stattfinden werden. Dann kommt ein Fitnessstudio, das auch am Wochenende geöffnet hat. Schon jetzt haben wir einen tollen Gastronomie-Mix: Neben l’Osteria und der Bäckerei Mauel wird es ein asiatisches und ein sehr angesagtes Burger-Konzept geben, dazu Sushi und Maloa Poke.
Ist der Bedarf überhaupt noch so groß wie vor der Corona-Krise?
W: Insgesamt ist der Markt schon etwas zurückhaltender geworden. Gegen den Bundestrend haben wir glücklicherweise eine sehr gute Nachfrage und sogar Gastronomie-Verträge abgeschlossen – trotz Corona. Alles ist voll vermietet, das ist nicht selbstverständlich.
Sorgt das für steigende Büromieten und attraktive Firmen, die sich hier niederlassen?
W: Natürlich. Aber nicht nur, weil wir die ersten Gebäude fertig haben und alles voll vermietet ist, sondern auch weil die Baukosten steigen. Außerdem gibt es in direkter Nachbarschaft viele coole Firmen, die hier schon länger sind, gerade aus dem Bereich E-Commerce.
K: Ein Novum ist, dass eine Firma wie Siemens aus dem Linksrheinischen ins Rechtsrheinische zieht. Das fällt vielen Leuten schon noch schwer im Denken. Siemens hat sich mit diesem Viertel beschäftigt und festgestellt: Hier passen wir hin. Für uns ist das ein wichtiger Faktor, dass wir es geschafft haben, einen großen Player ins Rechtsrheinische zu bekommen.
Sie können jetzt also mit linksrheinischen Standorten konkurrieren?
K: Alle Standorte haben ihre Berechtigung, aber jeweils für unterschiedliche Firmen. Ossendorf beispielsweise ist ein ganz anderer Standort als Köln-Mülheim. Ehrenfeld entwickelt sich zusehends, ist aber auch schon etwas früher gestartet. Das Rechtsrheinische wird das jetzt nachholen.
Glauben Sie, mit dem I/D Cologne positive Impulse für den ganzen Stadtbezirk geben zu können?
K: Das wird auf jeden Fall passieren. Wo Qualitäten entstehen, siedeln sich auch Menschen an, die diese nutzen möchten.
Tut das Quartier auf diese Weise ganz Köln gut?
K: Ja! Ich sag das nicht nur, weil wir es entwickeln – wir bekommen ja auch entsprechende Resonanzen.
Bei den Büros setzen Sie voll auf New Work?
W: Wir bieten Büroflächen mit flexiblen Achsrastern in einer schönen Architektur. Letztendlich gibt der Kunde vor, was er für eine Bürowelt schafft. Aber Sie haben recht, das Thema New Work spiegelt sich gerade auch bei den Großnutzern wider: sehr viele kommunikative Flächen und Open-Space-Bereiche. New Work zeigt sich aber auch im gesamten I/D Cologne mit den vielen Mehrwerten, die wir bieten, wie Hotels oder der eigenen App, über die man Carsharing, Paketstationen oder Sportangebote buchen kann.
K: Diese App ist ein ganz verbindender Faktor für alle hier in diesem Quartier und gehört für mich zum neuen Arbeiten dazu. Die Menschen arbeiten nicht mehr zwingend von 9 bis 17 Uhr, sondern gehen zwischendurch auch mal eine Stunde ins Fitnessstudio, eine Runde laufen oder auf unseren Sportplatz. In der Mittagspause trifft man sich vielleicht zum Beachvolleyball. Danach können sie hier duschen, bevor es wieder zurück ins Büro geht. Alles Dinge, wodurch sich die Menschen bei der Arbeit wohler fühlen werden.
Und Dinge, die Sie als Projektentwickler bereits mit berücksichtigen?
W: Weil wir das Projekt eben auch selbst entwickeln und uns bewusst entschieden haben, Standortvorteile wie eine Joggingstrecke oder einen Sportplatz städtebaulich zu realisieren. Das muss man nicht unbedingt machen.
Im Grunde gute Voraussetzungen für das Flex-Office…
K: Genau. Es wird in gewissem Umfang sicher weiterhin Home-Office geben. Umso wichtiger ist es, dass man in der Umgebung des Arbeitsplatzes auch viele Möglichkeiten hat zu kommunizieren.
Welche Vorteile bietet das Quartier hinsichtlich der Anbindung?
K: Natürlich ist es immer gut, eine Autobahn in der Nähe zu haben, in diesem Fall die A3. Die meisten kommen aber über den ÖPNV. Wir haben hier zwei Haltestellen direkt vor der Tür und die Nähe zum Bahnhof Köln-Mülheim. Oder sie kommen individuell mit dem Fahrrad. Dafür bauen wir in jedem Gebäude große Fahrradgaragen, wo man auch ein teures E-Bike sicher unterbringen und den Akku aufladen kann.
Gab es eine Vorgabe, dass die verkehrliche Erschließung möglichst umweltfreundlich sein soll?
K: Sie können heute kein Gebiet erschließen, ohne das Thema Mobilität intensiv zu berücksichtigen. Wie kommen die Menschen zu ihrer Arbeit, wo parken sie? Wie sind die Themen E-Mobilität oder Carsharing gelöst? All diese Dinge gehören bei einer solchen Quartiersentwicklung dazu. Mobilität ist für die Zukunft entscheidend.
Wie kam es eigentlich, dass sich Osmab und Art-Invest für dieses Projekt zusammengetan haben?
K: Wir haben das Grundstück 2012 erworben und haben dann aufgrund der Größe einen Partner gesucht. Darüber haben wir uns kennengelernt und pflegen seitdem wirklich eine tolle Zusammenarbeit, die Spaß macht.
Identifizieren Sie sich dadurch auch mit Mülheim?
W: Jede Kundenpräsentation beginnt mit einem Bild, auf dem man die alte Zentrale von Felten & Guilleaume sieht – dazu der alte Güterbahnhof.
K: Von dort aus wurden ja die Kabel von Felten & Guilleaume in alle Welt transportiert.
W: Wir erinnern daran mit Straßennamen wie „Am Kabellager“ oder „Am Alten Güterplatz“. Vor den Türen haben wir gebogene Eisenbahnschienen platziert, in die I/D Cologne eingraviert ist. Die ganze Architektur ist im Industriestil und passt sich der denkmalgeschützten Bebauung in der Umgebung an. Wir arbeiten ausschließlich mit Klinkerfassaden. Schließlich spiegelt sich der Genius Loci auch im Namen wider: ID steht für Identität und Individualität. Wir möchten identitätsstiftend für diesen Standort sein.
Ist das hier der schönste Platz zum Arbeiten? Und haben Sie noch Tipps für die Freizeit in Köln-Mülheim?
K: Sowohl durch den Altbestand als auch durch unsere Ergänzungen, die wir hier vornehmen, glaube ich sehr wohl: Das ist einer der schönsten Standorte zum Arbeiten. Ansonsten hat Mülheim sehr schöne Ecken – und Sie sind von hier aus in zehn Minuten am Rhein.
W: Von mir noch ein kleiner Geheimtipp: unser schönes öffentliches Parkhaus mit der größten begrünten Fassade Deutschlands. Vom obersten Geschoss hat man einen wunderbaren Blick über ganz Mülheim und ins Bergische Land. Das kann ich nur empfehlen.
Das Interview führte Marko Ruh, Chefredakteur Kölnmagazin.
Foto: Jan Knoff