Im Interview mit dem Kölnmagazin erklärt Dr. Dieter Steinkamp, welche wichtige Rolle Fernwärme und Kraft-Wärme-Kopplung auch in Zeiten der Energiewende weiterhin spielen. Wachsende Bedeutung im eigenen Produktportfolio misst der Vorstandsvorsitzende der RheinEnergie AG den Energiedienstleistungen bei.
Ich weiß nicht, wie oft Sie im RheinEnergie-Stadion sind, aber was halten Sie von Peter Stögers Arbeit?
Es zeigt sich, dass solide und geradlinige Arbeit Früchte trägt und es wieder Spaß macht, in Köln Fußball zu schauen.
Das war ja nicht immer so…
Der 1. FC Köln hat ja auch Leidenszeiten hinter sich. Die haben wir als Stadionsponsor aber genauso mit durchlitten.
Ist Sponsoring Ihre wichtigste Marketingmaßnahme?
Ja. Um die Marke RheinEnergie nach draußen zu transportieren, ist das ein zentrales Instrument.
Mit dem Stadionsponsoring tragen Sie die Marke aber deutlich über Köln, eigentlich sogar über die Region hinaus – das überrascht mich…
Das liegt vielleicht daran, dass Sie bei uns nicht im Key Account sind. Nein, allein schon historisch sind wir sehr viel außerhalb Kölns unterwegs gewesen: über die Wohnungswirtschaft, im Contracting, seit einigen Jahren auch im Industrie-Contracting, unserem Energiehandel sowie mit Energieeffizienz-Lösungen.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Früher haben wir Strom und Gas verkauft, heute verkaufen wir Leistungsbündel – beispielsweise die Verfügbarkeit von Druckluft, die ein Kunde für seine Produktion braucht. Über diese notwendige Druckluft macht er mit uns einen Vertrag, der das mit garantierter Verfügbarkeit zusichert. Wie wir das dann realisieren, ist dem Kunden egal. Das ist eine komplexe Energiedienstleistung, die sich aus mehreren Leistungen wie Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung und gegebenenfalls auch Finanzierung zusammensetzt, die wiederum ineinander greifen. Assets, Geräte, Steuerung spielen eine Rolle, Wartung und Instandhaltung ebenso.
Heißt das, Sie haben da Leute vor Ort?
Es gibt unterschiedliche Varianten, das hat mit Volumen und Größe zu tun. Vieles erbringen wir in Eigenleistung, aber wir haben natürlich auch Partner, die Teilleistungen vor Ort erbringen.
Welches Volumen macht dieses Geschäft mit Energiedienstleistungen im Vergleich zum Privatkundengeschäft aus?
Das gehört zum Gewerbe- und Industriekundenumsatz. Gemessen am Gesamtumsatz einer Rhein-Energie ist das – vielleicht noch – nicht unser Kerngeschäft. Ermutigend ist jedoch, dass diese Energiedienstleistungen nicht mehr so ganz wenig einbringen und erfreuliche Wachstumsraten aufweisen. Der Dienstleistungsanteil drum herum wächst.
Betrifft das nur das B2B- oder auch das Privatkundengeschäft?
Was ich beschrieben habe, ist B2B. Aber im Privatkundenbereich gibt es das in anderer Form ebenso, vor allem bei den Smart-Home-Lösungen.
Was meinen Sie mit Smart-Home-Lösungen genau?
In erster Linie die zentrale digitale Steuerung von Anwendungen und Geräten zu Hause. Was uns freut, ist, dass wir als Marktpartner akzeptiert werden. Zum Beispiel erfährt das Thema Einbruchsicherheit eine sehr hohe Resonanz durch unsere Privatkunden.
Kommen in diesen Bereichen auch Ihre Tochterunternehmen ins Spiel?
Im Stadtwerkekonzern gibt es noch zwei andere Unternehmen, die bei „smarten“ Themen eine besondere Rolle und auch besondere Möglichkeiten haben: die NetCologne und die Brunata. NetCologne, weil all die Daten übertragen werden müssen. Die Brunata ist als Wärmemess-Dienstleister schon seit Jahren mit elektronischen Zählern unterwegs. Jeder ist somit in seinem Teilmarkt betroffen, und wir können bündeln – und das tun wir, um uns gemeinsam, mit vereintem Know-how, in die smarte Energiewelt hinein zu entwickeln.
NRW ist ein Energieland mit sehr großen Playern. RWE ist mit 20 Prozent an der RheinEnergie beteiligt. Wo sehen Sie sich im Konzert mit den ganz Großen?
Also, wir sehen uns selber als energiewirtschaftlichen Mittelständler. Wenn man sich die Dimensionen betrachtet, dann spielen die großen Konzerne, die international unterwegs sind, in einer eigenen Liga. Wenn man Größen vergleicht, sind wir aber mit Sicherheit einer der größten Regionalversorger. Energiewirtschaftlich gesehen sind wir ein Regionalversorger mit Standort und Kern in Köln, aber reichen über ein Netzwerk von Beteiligungen, Partnerschaften und Kooperationen weit in die Region hinein – zum Beispiel über kleinere Stadtwerke wie die AggerEnergie, die Stadtwerke Lohmar, die Stromnetz Bornheim, die EnW in Bonn oder die GVG Rhein-Erft in Hürth.
Eine Zeitlang hegte man doch die Hoffnung, dass viele kleine Stadtwerke, dezentral und autark, die Energiewende schaffen. Gilt das nicht mehr?
Rekommunalisierung ist eine Überschrift, hinter der sich viele verschiedene Lösungen entwickelt haben. Es gibt noch eine ganze Reihe von Ausschreibungen wegen auslaufender Konzessionen aus den 1990er-Jahren. Den unmittelbaren Unterschied für eine kleinere Stadt, ein eigenes Stadtwerk zu haben oder die Konzession als Direktvergabe weiterzugeben, gibt es im Endeffekt doch gar nicht. Denn die kleinen werden Partner brauchen. Diese Rolle nehmen wir gerne an. Das ist sinnvoll, denn es ergeben sich gerade im Netzmanagement räumliche Synergievorteile. Es gilt, die kleineren Stadtwerke in Verbünden zu sammeln und die Stärke des größeren Energieversorgers mit der Stärke vor Ort zu verbinden. Aus meiner Sicht schreit das geradezu nach Kooperation. Energieversorgung macht eben nicht an der Stadtgrenze halt.
In welchem Umfang produzieren Sie selbst Energie?
Wir haben mehrere Kraftwerke, die alle in Kraft-Wärme-Kopplung laufen. In Köln-Niehl sind wir gerade dabei, ein neues GuD-Kraftwerk (Anm. der Red.: Gas-und-Dampf-Kraftwerk) mit einer Leistung von 450 Megawatt zu bauen. Das ist ein richtig ausgewachsenes Kraftwerk. Es ist zugleich ein wichtiger Baustein der Energiewende, da es auch die Schwankungen der Erzeugung aus Erneuerbaren Energien absichert. Das ist ja ein permanentes Auf und Ab – da muss dann immer konventionell ausgeglichen werden – zum Nachfrage-Ausgleich und zur Netzstabilität. Je schneller die Anlage liefern kann, desto besser. Flexibilität ist das, was der Markt in den kommenden Jahren benötigt.
Sie setzen also nach wie vor auf die vergleichsweise alte Technologie Fernwärme beziehungsweise Nahwärme?
Ja, denn Fernwärme ist für großstädtische Ballungsräume optimal. Sie entsteht als Koppelprodukt bei der Stromerzeugung und ersetzt Tausende von dezentralen Heizanlagen. Und in Randbereichen, wo sie wirtschaftlich wegen der Investition in Transportleitungen nicht vertretbar ist, kann Nahwärme eine sinnvolle Lösung sein, zu deren Erzeugung sich auch erneuerbare Energie einsetzen lässt.
Inwieweit wird Köln mit Fernwärme versorgt?
Insgesamt sind mehr als 80 Prozent der Gebäude im inneren Stadtkern mit Fernwärme versorgt. Linksrheinisch ist das alles innerhalb der Kanalstraße und rechtsrheinisch sind es die Kerngebiete von Deutz und Mülheim.
Ist Fernwärme aus ökologischer Sicht denn vertretbar?
Wenn Sie eine Millionenstadt wie Köln mit Wärme durch Erneuerbare Energien versorgen wollten, so viel Brunnen für Geothermie können Sie gar nicht bohren – von den nicht absehbaren Folgen mal ganz zu schweigen. Auch für die erforderlichen Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung hätten Sie die Fläche gar nicht, selbst wenn auf jedem Dach eine wäre.
Das neue GuD-Kraftwerk in Niehl hat einen Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung von 61 Prozent. Mit der ausgekoppelten Wärme kommt man zu einem Gesamtnutzungsgrad von bis zu 90 Prozent. Alte Kohlekraftwerke, von denen wir noch genug in Deutschland haben, insbesondere Steinkohlekraftwerke verlieren zwei Drittel der Energie ungenutzt. Fernwärme ist die mit Abstand ökonomischste Form konventioneller Energienutzung, gilt politisch jedoch als „alter Hut“. Wenn der alte Hut aber immer noch das Beste ist, was man hat, sollte man ihn pfleglich behandeln. Selbstverständlich gilt es, die regenerative Energie auszubauen – das tun wir auch – und die fossile Energie herunterzufahren. Aber der Umbau der Energielandschaft braucht noch Jahrzehnte fossile Kraftwerke als Stützpfeiler, bis zum Beispiel Lösungen für die nachhaltige Speicherung von Strom gefunden sind.
Nochmal kurz zurück zur Fernwärme: Hat sie sich über die Jahre verändert?
Fernwärme ist zwar eine bekannte Technologie, aber bewährt und gleichzeitig hochmodern. Wenn Sie sich eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Maschine von heute angucken, so wie die Anlage in Niehl – das ist hochgezüchtete Hightech-Technologie. Das ist wirklich beste deutsche und europäische Maschinenbau- und Steuerungs-Technologie. Da werden thermodynamische Optimierungen vorgenommen, um noch das letzte halbe Prozent herauszuholen. Da werden Materialien benutzt und im Strömungsbereich Erkenntnisse umgesetzt, die haben wir vor zehn Jahren noch nicht gehabt.
Und wie sieht die Zukunft aus?
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wird noch in den nächsten Jahrzehnten eine große Bedeutung haben. Und deshalb bauen wir unsere neue Anlage in KWK, während andere Energieversorger nicht wissen, was sie mit ihren ausschließlich stromproduzierenden Kraftwerken machen sollen. Wir haben inzwischen neben dem konventionellen System parallel ein zweites regeneratives System aufgebaut, wobei sich die Benutzungsstunden von konventionell immer weiter verschieben hin zur Erneuerbaren Energie. Auf dem Weg in die neue Energiewelt und bis Antworten auf Fragen wie die Langzeitspeicherung von regenerativ erzeugtem Strom gefunden sind, werden KWK-Anlagen weiterhin die Wärme- und Stromversorgung mit absichern.
Welche unternehmerischen Strategien haben für Sie zentrale Bedeutung?
Regional wachsen, lokale Besonderheiten früh erkennen. Durch unseren regionalen Verbund sind wir dafür gut aufgestellt und profitieren gemeinsam mit anderen Stadtwerken von einer ganzen Menge Synergien und Know-how-Bündelung. Hierfür haben wir die derzeit ideale Unternehmensgröße und zum Glück eine stabile Kundenbasis. Wir haben uns breit aufgestellt, statt auf ein Pferd, das heißt auf nur eine oder zwei Wertschöpfungsstufen zu setzen, zum Beispiel auf Eigenerzeugung sowie Energiehandel. Im Massenkundengeschäft gab es Zeiten, in denen quasi keine Margen zu erzielen waren, trotzdem haben wir unsere Kunden gehalten. Wir haben uns gesagt: Das wird auch wieder anders und wir sehen lieber zu, dass wir auf der Kostenseite, nämlich beim Einkauf und beim Netzbetrieb sparen und unsere Kunden nicht verlieren. Das kommt uns im Privatkundengeschäft heute zugute.
Und bei den Geschäftskunden?
Im B2B-Geschäft ist der direkte Zugriff auf den Kunden besonders wichtig – gerade bei komplexen Energiedienstleistungen. Dazu kommen hier Skaleneffekte. Es macht schon einen Unterschied, ob wir hier in einer bestimmten Abteilung mit hohem Aufwand Know-how aufbauen und das auch im Konzern und bei den Beteiligungen einsetzen können oder ob das ein kleines spezialisiertes Beratungs-unternehmen tut. Auch deshalb plädiere ich auch hier für Kooperationen.

Dr. Dieter Steinkamp, 55 Jahre alt und Diplom-Kaufmann, ist seit September 2007 im Vorstand der RheinEnergie AG tätig und seit Mitte Juni 2009 Vorstandsvorsitzender. Zuvor gehörte er dem Vorstand der Stadtwerke Krefeld AG an. Er stammt aus Duisburg und war dort nach dem Studium in Köln zunächst bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG), der Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (DVV) und den Stadtwerken Duisburg (SWDU) tätig. 1993 bis 1997 war er Beigeordneter der Stadt Duisburg. Seit Ende 2009 ist Dr. Steinkamp zudem Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Köln GmbH.
Alles in allem klingt das doch sehr nach Zufriedenheit?
Die Stadt Köln kann mit dem, was für den städtischen Haushalt herauskommt, ganz zufrieden sein. Rein ökonomisch sind wir wirklich – trotz schwieriger Bedingungen – gut bis sehr gut gefahren. Aber jeder hier im Unternehmen weiß, das ist nie etwas, worauf man sich ausruhen kann. Jedes Jahr ist eine neue Herausforderung – allein schon wegen der Technologiesprünge. Da muss man aufpassen, dass man nicht in wenigen Jahren außen vor ist.
Und vielleicht haben wir auch dort etwas richtig gemacht, wo wir gewartet haben zu investieren. Wir haben damit nicht die gesamte Lernkurve mitgemacht und so nicht unplanmäßig Geld verloren. Beispiel Off-Shore-Windkraft: Die wird morgen und übermorgen ganz wichtige Beiträge leisten. Aber die Off-Shore-Technologie musste erst einmal entwickelt und getestet werden. Wir haben deshalb in den Anfängen bewusst gesagt: Das Risiko ist uns zu groß. Es geht auch um Augenmaß vor Gier – und das ist auch eine kleine Erfolgsgeschichte.
Interview: Marko Ruh, Fotos: Birgitta Petershagen