Die Häfen und Güter Köln AG (HGK) ist fest mit der Stadt verwurzelt und kümmert sich erfolgreich um den Gütertransport auf Schiene und Schiff. Als Teil des Stadtwerke-Konzerns finde man einzigartige Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte, nachhaltige Unternehmensentwicklung, sagt Uwe Wedig, Vorstandsvorsitzender der HGK, im Interview mit dem Kölnmagazin.
Das Recycling-Unternehmen Theo Steil GmbH zieht vom Deutzer Hafen nach Godorf um. Köln zu verlassen, sei keine Option gewesen. Ist das auch Standortsicherung?
Die Firma Steil ist gefühlt schon immer Kunde in Köln – früher bei der HGK, heute bei RheinCargo, die als Beteiligung der HGK die Grundstücke verwaltet. Über langjährige Kunden, die auch andere Optionen hatten und trotzdem bleiben, sind wir froh. Damit dokumentieren sie, dass sie sich in der Region und mit den Partnern wohlfühlen. Ich kann das auch aus meiner Sicht sagen: Steil war immer ein Partner, mit dem man auch Probleme sehr gut lösen konnte. Das war immer konsensorientiert und liegt am gegenseitigen Verständnis und Vertrauen.
Eine andere Form der Standortsicherung ist der Güterverkehr, den sie am Laufen halten. Gibt es Zahlen, wie viel Anteil Schiene und Wasser am gesamten Gütertransport haben?
Zumindest gibt es für die einzelnen Verkehrsträger Zahlen. Wir sprechen in der Logistik von Leistungszahlen in Tonnenkilometer, also Tonnen mal transportiertem Weg und transportierter Tonnage. Den größten Anteil haben die Lkw mit etwa 4 Milliarden Tonnen. Die Eisenbahn kommt pro Jahr auf etwa 400 Millionen Tonnen. Die Schifffahrt macht heute – das war früher etwas mehr – 220 Millionen Tonnen.
Der Wasserweg hat also noch Kapazitäten?
Es ist der einzige Verkehrsweg, der noch Kapazitäten hat, sprich genügend Platz, um mehr Schiffe aufnehmen zu können. Auf den Eisenbahntrassen ist das nicht mehr der Fall. Die Hauptmagistralen sind mehr oder weniger zu 100 Prozent ausgelastet. Die Autobahnen, und das erleben wir jeden Tag, sind völlig überlastet. Die Binnenschifffahrt kann jedoch noch mehr Mengen aufnehmen. Das Schiff hat allerdings auch einen kleinen Nachteil: Es kommt nicht immer direkt bis zum Kunden. Das heißt, sie brauchen im Vor- oder Nachlauf einen anderen Verkehrsträger, also Straße oder Schiene.
Dennoch sehen Sie Möglichkeiten, über stadtnahe Hafenstandorte Aufgaben in der City-Logistik zu übernehmen. Können Sie das näher erläutern?
Die Frage ist, wie kriegen wir unsere Städte zum einen sauberer und zum anderen etwas verkehrsfreier? Da sollte man über eine konstruktive, organisierte City-Logistik reden. Bei der Bahn und beim Binnenschiff reden wir in der Regel über Massengüter, aber auch über Container, also Intermodal-Verkehre. In diesem Bereich könnten wir die Güter für die Verbraucher an den Häfen oder an Hubs etwas außerhalb der City konzentrieren, um sie dann sinnstiftend von dort aus zu verteilen.

Bestehen solche Hubs oder Häfen schon?
Nein, noch nicht. Es gibt aber in allen großen Städten in Europa solche Ideen und auch schon erste Versuche dazu. Über die Stadt verteilt stehen beispielsweise in Paris Container in Seitenstraßen. Daran bedienen sich die Zulieferer und holen die Waren raus, die sie zum Endkunden verteilen. Sie transportieren diese in einem E-Fahrzeug direkt in die City. Also fahren nicht mehr große Lkw in die Stadt, sondern kleinere Fahrzeuge in Größe eines E-Scooters oder ähnliche. Aus ökologischen Gesichtspunkten macht das absolut Sinn, aber man muss sehen, ob es wirtschaftlich darstellbar ist. Wir denken über solche Modelle auch in Köln nach, aber zugleich über vieles andere.
Und konkret?
Wir müssen prüfen, ob wir in der Peripherie Läger haben, von denen aus wir die Innenstadt mit Elektrofahrzeuge bedienen können. In neuen Quartieren ließe sich ein solches Konzept von vornherein mit einplanen. Im Stadtwerke-Konzern denken wir darüber nach, wie wir solche Modelle nachhaltig entwickeln können. Wie kann man smartes Wohnen und eine smarte City realisieren? Dazu gehört auch eine City-Logistik.
Für solche Erwägungen ist ein Konstrukt wie der SWK doch ideal?
Ich glaube, wir haben mit dem Stadtwerke-Konzern in Köln etwas Einmaliges, einen integrierten Konzern für Mobilität, Versorgung und Entsorgung. Wir sind an vielen Stellen gut verzahnt und verdrahtet. Es passiert schon eine Menge, bei manchen Dingen können wir vielleicht noch mehr daraus machen.
Ist Köln dank seiner zentralen Lage als Logistikstandort prädestiniert?
Ja, und das bleibt auch so. Die Geografie kann man nicht ändern, und wir glauben, dass Köln für uns ein guter Standort ist. Wir fühlen uns hier wohl. Das liegt natürlich auch an der Einbindung in diesen Konzern. Das Konstrukt hat eine Menge zu bieten, allein schon was Entwicklungsperspektiven betrifft. Das ist klasse. Darüber hinaus haben wir eine Verpflichtung, was Köln angeht, in der Daseinsvorsorge. Allein schon dadurch, dass wir ein Netz betreiben – nicht nur ein Güterverkehrsnetz, sondern auch ein Netz für den öffentlichen Nahverkehr. Vier Linien werden von den KVB auf unserem Netz betrieben. Das heißt, wir sind der Trasseneigentümer und die KVB fahren darauf. Das ist für uns auch eine Verpflichtung. Deshalb ist Köln für uns nicht nur Nukleus, sondern Heimat.
2017 haben Sie als HGK 8,5 Millionen Euro erwirtschaftet und zum städtischen Haushalt beigetragen. Wie sieht es in diesem Jahr aus, in dem das Niedrigwasser so problematisch war?
Das hat sich auf die Zahlen niedergeschlagen. Niedrigwasser war nicht das einzige Problem: Wir hatten zu Beginn des Jahres Hochwasser und Stürme, außerdem kam es in Kanalgebieten, zum Beispiel zwischen Hannover und Berlin, zu Eisbildung im Februar und März, danach ging es fast übergangslos im Frühsommer in die Niedrigwasserphase. Das waren schon Umstände, die nicht vergnügungssteuerpflichtig waren. Gleichwohl kann ich sagen – obwohl das Jahr noch nicht um ist –, dass wir auch in diesem Jahr einen deutlichen Beitrag zum Haushalt leisten werden.

Wie beurteilen Sie die Profitabilität der HGK insgesamt?
Ich sehe die Perspektiven der HGK-Gruppe mit ihren Tochtergesellschaften ausgesprochen positiv und optimistisch. Bei der HGK verhält es sich ähnlich wie bei SWK: Wir haben alles unter einem Dach – die Eisenbahn, das Binnenschiff, Lkw, intermodale Umschlagbetriebe, damit decken wir alles ab. Der Vorteil dabei ist: Sie haben immer mal ein Jahr, in dem ein Segment schwächelt. Wenn die anderen aber gut performen, gleicht sich das aus. Und das geht quasi reihum. Von daher können wir viele Dinge besser ertragen als ein Unternehmen, das sich nur in Binnenschifffahrt oder Eisenbahn bewegt.
Deswegen auch die Bestrebung zur Holding?
Die Transformation zur Logistikholding ist eigentlich einem pragmatischen Umstand geschuldet. Mit der Ausgliederung des operativen Eisenbahn- und Hafengeschäfts an die RheinCargo hat die HGK 2012 den Prozess eingeleitet, zu einer Holding zu mutieren, weil es kein eigentliches operatives Geschäft mehr gab. Mit dem Zukauf der neska 2015 war es nur logisch zu sagen: Warum sollen wir das Unternehmen operativ integrieren? neska arbeitet als Tochtergesellschaft eigenständig weiter, aber wir übernehmen im größeren Umfang administrative Tätigkeiten.
Sie haben in diesem Jahr begonnen, das Terminal Nord in Köln-Niehl auszubauen. Was passiert da konkret?
Dort befindet sich ein bimodales Terminal für Straße und Bahn. Wir bauen jetzt die zweite Stufe des Moduls A bis Ende 2019. Das heißt, wir verlängern die Gleise und erweitern die Anzahl, damit wir mehr Züge abwickeln können. Außerdem installieren wir weitere Containerkräne – heute steht dort einer, demnächst drei. Damit werden wir die Kapazitäten deutlich steigern. Wir investieren bis Ende nächsten Jahres etwa 50 Millionen Euro in dieses Terminal. Neben dem Terminal gibt es mit dem Industriepark Nord eine Industriefläche …
…, wo Amazon hin wollte?
Wir konnten die Stadt davon überzeugen, dass es sinnvoller ist, wenn wir dort investieren, wofür es auch gute Argumente gibt. Ein anderes Unternehmen zahlt für diese Fläche den Kaufpreis, und das war’s. Wir zahlen den Kaufpreis – und dann kommt immer noch etwas für den städtischen Haushalt hinzu, nämlich das wirtschaftliche Ergebnis, das wir dort generieren. Im Oktober haben wir die frühzeitige Besitzeinweisung erhalten, mit der wir vorbereitende Arbeiten wie Rodungen ausführen dürfen. Außerdem müssen wir 170.000 Quadratmeter um zirka drei Meter auf Straßenniveau auffüllen, also rund 500.000 Kubikmeter Material einbringen, ehe wir auf dem Gelände bauen können. Wir wollen im Laufe des kommenden Jahres parallel mit den Verhandlungen zum noch ausstehenden Kaufvertrag auch mit der Vermarktung des Geländes beginnen. Wenn alles nach Plan läuft, wird man 2020 die ersten Fundamente dort sehen.
Und werden Sie damit auch Arbeitsplätze schaffen?
Wir haben der Stadt zugesagt, dass wir dort eine nennenswerte Anzahl tarifgebundener Arbeitsplätze schaffen.
Gilt das auch für alle Ihre Mitarbeiter?
Das gilt für alle, ja.
Wie entwickeln sich Ihre Mitarbeiterzahlen über die letzten zehn Jahre gesehen?
Die HGK war bis vor einiger Zeit immer in einer Größenordnung von 600 Mitarbeitern bei einem Umsatz von etwa 200 Millionen Euro aus dem Hafen- und Eisenbahngeschäft unterwegs. Wir beschäftigen heute bei der HGK-Gruppe 1.500 Mitarbeiter und erzielten im vergangenen Jahr einen Umsatz von 520 Millionen Euro, also mehr als eine halbe Milliarde Euro. Vielleicht haben wir das in der Vergangenheit etwas zu wenig öffentlichkeitswirksam betont, aber der Hafen und Köln – da gibt es eine Verbindung.
Vielleicht nehmen das viele als vergangene Geschichte wahr…
Wir haben das jetzt beim Niedrigwasser erlebt. Nur ein Beispiel: Es gab Tage, da waren Tankstellen in Köln mit Flatterband umspannt, weil sie kein Benzin mehr hatten. Was daran lag, dass die Logistik nicht mehr funktionierte, weil die Binnenschifffahrt die Raffinerien nicht mehr beliefern konnte. Plötzlich merkten die Leute, dass die Schiffe, die auf dem Rhein herumfahren, einen sinnvollen Auftrag haben. Das zeigte, wie wichtig Schifffahrt ist, wie wichtig Häfen sind, wie wichtig die Eisenbahn ist. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, den Menschen in Köln zu vermitteln, was ein Hafen eigentlich tut und wie wichtig er ist.
Im Zusammenhang mit der Luftbelastung und angesichts drohender Fahrverbote sind die Rheinschiffe schon wieder in den Fokus geraten, Stichwort Tempolimit. Was ist Ihre Sicht der Dinge?
Wir als Schiff-, Eisenbahn- und Hafenbetreibende unterstützen alle Maßnahmen, die nachhaltig wirken und ökologisch sinnvoll sind. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewerten, ob es nützlich wäre, die Geschwindigkeit der Schiffe zu begrenzen. Wir haben allerdings keinen Einfluss auf so eine Entscheidung, die liegt beim Bund, da der Rhein eine Bundeswasserstraße ist.
Bisher habe ich immer gehört, die Binnenschifffahrt entlaste die Umwelt.
Natürlich. Es gibt allerdings da – wie so oft – unterschiedliche Studien, meist was einen Vergleich zwischen Binnenschifffahrt und Eisenbahn angeht. Fakt ist: Allein schon bezogen auf eine transportierte Tonne gibt es keine ökologischeren Transportmittel als das Binnenschiff. Das ist gegenüber dem LKW so und der Bahn auch. Wie viel Luftbelastung in Summe dabei tatsächlich entstehen, darüber lässt sich trefflich streiten. Es gibt auch Studien, die besagen: An relativ breiten Stellen des Rheins wie in Köln kommt an den Ufern kaum noch eine messbare verursachte NOx-Belastung von Schiffen an.
Aber es gibt eben auch andere Meinungen.
Deshalb sollten wir uns auf die Fakten beschränken. Ein Schiff fährt in der Bergfahrt, also von Nord nach Süd, etwa mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 12 Stundenkilometern, wenn es beladen ist. Talwärts mit der Strömung etwa mit 20 Stundenkilometern. In der Talfahrt können die Kapitäne die Motorleistung drosseln, sprich weniger emittieren, weil die Strömung ihr Übriges tut. Das machen die Binnenschiffer allein schon aus Kostengründen. Wenn es wissenschaftlich nachgewiesen wäre, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung Sinn macht, dann muss man es tun. In Rotterdam gibt es zum Beispiel in der Tat partielle Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Sicher unstrittig ist es, anliegende Schiffe vom Festland aus mit Strom zu versorgen, oder?
Ja, klar. Das tun wir heute schon mit Stromtankstellen am Rheinufer, zum Beispiel im Rheinauhafen oder im Niehler Hafen. Seit Sommer 2018 ist ein Nutzungsgebot in Kraft getreten: Überall wo Stromtankstellen vorhanden sind, müssen sich die Schiffe anschließen. Das sorgt für bessere Luft und weniger Lärmemissionen.
Wie sauber sind denn die Dieselmotoren, die auf Rheinschiffen üblicherweise eingesetzt werden? Gibt es da auch Katalysatoren, Filteranlagen oder Ähnliches?
Es wird ja gern das Märchen erzählt, auch auf Binnenschiffen würde Schweröl verbrannt. Das ist völliger Humbug. In der Binnenschifffahrt kommen ganz normale Dieselmotoren zum Einsatz wie beim Lkw. Da lassen sich also auch die Euro-Normen anwenden.
Was mich überrascht hat zu lesen, waren Assistenzsysteme im Binnenschiff: Hält auch hier die Digitalisierung Einzug?
Ja, es gibt schon relativ lange Autopiloten, allerdings nur als Kurshaltesystem. Der Kapitän geht da nicht schlafen und lässt sein Schiff unbeaufsichtigt fahren. Aber er kann sich schon zurücklehnen und greift ein, wenn er Anlass dazu sieht. In einem öffentlich bezuschussten Projekt geht es jetzt tatsächlich auch um völlig autonom fahrende Binnenschiffe. Ich glaube, wir brauchen keine zehn Jahre mehr, bis wir die ersten autonomen Binnenschiffe zumindest auf Teilabschnitten sehen – genau wie bei der Eisenbahn übrigens.
Arbeiten Sie als HGK an weiteren Formen von Digitalisierung?
Das tun wir in einem Prozess mit allen städtischen Gesellschaften zusammen. Aber viele Dinge sind noch lange nicht so weit, wie wir sie uns vorstellen, gerade auch was die Automatisierung angeht. Allerdings dürfen wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und auf jeden Zug – um im Bilde zu bleiben – aufspringen. Und ein Problem bleibt die Ressource Mensch.

Der gebürtige Duisburger Uwe Wedig (58) ist seit 1. Februar 2018 Vorsitzender des Vorstands der Häfen und Güterverkehr Köln AG. Wedig war bereits von Mai 2011 bis Ende 2014 Mitglied des HGK-Vorstands. Anfang 2015 wechselte er in die Geschäftsführung des Logistikkonzerns Imperial. Seine Laufbahn begann Uwe Wedig in der Logistikbranche beim Binnenschifffahrtsunternehmen HTAG Häfen und Transport AG in Duisburg, die seit 2002 zur HGK gehört.
Das heißt, Sie haben Personalmangel?
Gerade im Bereich Eisenbahn. Uns fehlen massiv Triebfahrzeugführer, also Lokführer.
Was tun Sie dagegen?
Einzelne Aktionen oder nur Geld reichen da nicht. Man muss da mit einem Gesamtkonzept ran. Ein Thema ist sicher, dass wir verstärkt selber ausbilden und auch Seiteneinsteiger oder Migranten ansprechen. Letzteres scheitert zwar oft an der Sprachbarriere, aber wir dürfen keine Denkverbote mehr haben. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir ein Gesamtpaket hinkriegen. Wir müssen auch an Schulen gehen, uns beispielsweise auch mehr um Hauptschüler kümmern. Sie müssen nicht zwingend Abitur haben, um eine Lok zu fahren.
Interview: Marko Ruh, Fotos: Jan Knoff