Seit gut 100 Tagen ist der neue Baudezernent der Stadt Köln im Amt. Im Interview mit dem Kölnmagazin spricht Markus Greitemann über seine dringlichsten Baustellen, aber auch über seine positiven Eindrücke und städtebaulichen Vorlieben.
Herr Greitemann, es gibt die Meinung, Köln könne noch ein bis zwei „Landmark-Projekte“ vertragen. Sehen Sie das auch so?
Unsere Aufgabe ist es, Projekte, die wir aufgesetzt haben, wirklich umzusetzen. Ein Landmark-Projekt ist allerdings Kreuzfeld. Das ist zwar keine architektonische oder städtebauliche Landmarke, aber ein hochprioritäres, herausragendes Projekt im Sinne des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung, ein komplett neuer Stadtteil, in dem einige Tausend neue Wohneinheiten entstehen könnten.
Ist das folglich das Dringlichste?
Der Bau von Wohnungen und Schulen sind unsere dringlichsten Aufgaben. Dazu gehört die gesamte weitere Infrastruktur wie zum Beispiel auch Kitas, Kultur- und Sporteinrichtungen.
Und auch Büros?
Den Blick für gewerbliche Nutzungen werde ich nicht verlieren. Das treiben wir voran. Die Aufgabe des Baudezernenten besteht darin, insgesamt eine Stadtstrategie für Gewerbe, Schulen und Wohnen zu entwickeln. In einer Großstadt wie Köln werden immer Flächenkonkurrenzen bestehen, die von der Verwaltung zu bearbeiten und dem Rat und seinen Ausschüssen zur Entscheidung vorzulegen sind. Diese Stadtstrategie ist unser Regiebuch für die kommenden Jahre.
Gilt der städtebauliche Masterplan denn weiterhin?
Den städtebaulichen Masterplan von Albert Speer halte ich für eine hervorragende Grundlage für unsere stadtentwicklungspolitische Aufgabenstellung, und wir wollen diesen weiter bilanzieren und revisionieren. Er findet weiterhin Anwendung, und es sind auch viele gute Projekte daraus entwickelt und umgesetzt worden. Ich meine darüber hinausgehend aber den Prozess der ‚Kölner Perspektiven 2030’. Das soll wirklich für die Stadtplanung und letztendlich für alle Bereiche das Regiebuch werden. Daran arbeiten wir sehr eng mit den Kollegen aus den anderen Dezernaten.
Die Analysten kommen auf eine Leerstandsquote von rund 3% bei den Büroimmobilien. Unter 5% gilt als Warnsignal. Eine vorübergehende Erscheinung?
Ich bin damit befasst, mir einen Überblick zu verschaffen. Es gibt sehr gute Projekte, die wir aufgesetzt haben, wie beispielsweise Mülheim-Süd. Dabei handelt es sich teils auch um Standorte, die wir gar nicht für Wohnen entwickeln können und wo wir Gewerbe etablieren werden. Nach wie vor gibt es Potenziale für Gewerbe in den Randbereichen. Die bestehenden Transformationsflächen werden wir nicht nur für Wohnen, sondern auch für Gewerbe nutzen, um eine vernünftige Durchmischung zu bekommen. Ich bin ein großer Freund von Mischformen von Wohnen und Gewerbe.
Was in der Innenstadt ja gang und gäbe ist…
In der Kölner Innenstadt existieren bereits derartige Mischformen. Im Deutzer Hafen planen wir im Bereich der Randbebauung zum Bahndamm einen städtebaulichen Hochpunkt , in dem auch Gewerbe untergebracht wird. Es bleibt weiterhin unsere ständige Aufgabe, genügend Gewerbeflächen auszuweisen.

Wie eng arbeiten Sie dabei mit dem Amt für Liegenschaften zusammen?
Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Liegenschaftsbereich ist sehr eng und vertrauensvoll. Darüber bin ich sehr erfreut – genauso wie über die hervorragende Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Andrea Blome. Ich halte es für sehr sinnvoll, die Amts- und Sachgebietsleitungen zusammen zu bringen. Da darf auch mal ordentlich gestritten werden. Aber danach habe ich ein Ergebnis, das dann mit der Politik umgesetzt werden kann.
Wie stehen Sie zu Logistikimmobilien?
Wir haben in der Tat auch Anfragen von Logistikunternehmen. Wegen der Größe und Bedeutung dieser besonderen Nutzungsform bearbeite ich diese Anfragen persönlich und zusammen mit der Wirtschaftsförderung.
Lassen sich Baugenehmigungsprozesse beschleunigen?
Die Erteilung von Baugenehmigungen ist ein wichtiger Basisprozess für mein Dezernat. Die Verfahrensabläufe und die Personalausstattung spielen dabei eine große Bedeutung. Die Stadt Köln hat im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung das Verbundprojekt ‚Beschleunigung und Digitalisierung des Baugenehmigungsverfahrens’ schon vor einem Dreivierteljahr begonnen. Ich unterstütze die Amtsleitungen in diesem Modernisierungsprozess. Wir priorisieren die Aufträge wie ein Unternehmen und arbeiten sie entsprechend ab. Wir wissen, dass wir Arbeitsrückstände haben, die wir aber in den Folgejahren aufarbeiten werden müssen. Entsprechend günstige Rahmenbedingungen dafür sind zu schaffen, die auch die immer komplexer werdenden Vorgaben zu berücksichtigen haben.
Wie zum Beispiel Brandschutz?
Dazu zählt unter anderem der Brandschutz, aber auch Lärm, Verkehr, Natur- und Umweltschutz. Es gibt in Köln kein einfaches Bauvorhaben mehr. Ich komme ja vom Land, aus dem Sauerland, lebe aber jetzt schon viele Jahre in Köln. Ein Unterschied ist: Die Bauvorhaben hier sind durch die Umstände und Rahmenbedingungen sehr viel komplexer.
Kann Digitalisierung helfen?
Sie kann insofern helfen, als die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichere Datenlagen und sichere Planunterlagen haben, die validiert sind. Sie können zudem die Arbeit eher parallelisieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zufriedener, weil sie dem Kunden, dem Bauherrn, die Verfahren durch digitalisierte Prozesse transparenter machen können. Wenn tatsächlich – das hängt auch an der Landesregierung – ein Bauantrag digital mit einer digitalen Unterschrift eingereicht werden kann, wird es transparenter. Dann kann der Kunde von außen sehen, wie der Bearbeitungsstand seines Bauantrages ist. Er erkennt außerdem noch schneller, welche Antragsunterlagen fehlen, und kann diese digital nachreichen. In diesem Feld trete ich ganz stark mit den Architekten, Ingenieuren und insbesondere mit den Investoren in den Dialog und kann dadurch auch vermitteln, dass der Bauantragsteller durch das Einreichen kompletter und aussagekräftiger Bauvorlagen die Beschleunigung des Genehmigungsprozesses aktiv mitgestalten kann.
Herrscht bei Ihren Kunden Beratungsbedarf?
Ja, wir sind sehr intensiv im Dialog. Und ich wünsche mir, dass unsere Kunden den Dialog auch annehmen. Das Wichtigste ist der respektvolle Umgang auf beiden Seiten.
Es müssen aber doch auch die Ansprechpartner klar benannt werden, gerade am Anfang eines Prozesses?
Das trifft zu, und daran arbeiten wir kontinuierlich. Projektbezogen gilt das Prinzip ‚One Face to the Customer’.

Sie sprachen vorher von der Personalstärke. Heißt das, Sie möchten neue Stellen schaffen?
Nein, erst einmal geht es darum, die Stellen zu besetzen, die offen sind. Bei mir sind insgesamt zirka 1.700 Stellen angesiedelt, davon sind über 15 Prozent nicht besetzt. Hinzu kommt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – was für unsere Gesellschaft absolut gut und richtig ist. Das macht, je nach Amt, aber noch einmal 15 bis 20 Prozent Abzug aus. Grob gerechnet habe ich zwischen 1.250 und 1.300 Vollzeitäquivalente zur Verfügung. Im Grunde müssten wir somit 30 Prozent der Aufträge ablehnen. Über krankheitsbedingte Ausfälle haben wir da noch gar nicht gesprochen.
Das ist schon gewaltig…
Trotzdem haben wir momentan 14.500 Wohneinheiten, die wir in Planrecht bringen wollen. Knappe 6.000 Wohnungen haben bereits Planrecht. Da könnte man bauen, es fehlen aber noch die Bauanträge. Es ist also schon eine Menge in der Pipeline: über 20.000 Wohnungen. Hinzu kommen 4.500 Wohnungen in der innerstädtischen Verdichtung. Die könnte man nach § 34 BauGB genehmigen.
Woran hapert es dann?
Erst einmal müssen wir Planreife erreichen für die 14.500 Wohneinheiten. Das dauert mindestens noch zwei bis drei Jahre. Dafür benötigen wir die Unterstützung der Antragsteller mit aussagefähigen Anforderungen, konstruktiver Zusammenarbeit und natürlich die Politik. Für die Wohneinheiten mit bereits vorhandenem Planrecht benötigen wir Bauanträge.
Liegt es manchmal an der Kommunikation der Beteiligten?
Meines Erachtens ist die Kommunikation zwischen den Beteiligten enorm wichtig. Bestehende Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich und Sachkonflikte sind stetig auszuräumen. Das ist aber menschlich. Allerdings: Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden.
Steckt Lösungspotenzial in BIM?
Ja, insbesondere bei den Großbauten. Bei den Projekten der Gebäudewirtschaft ergibt sich eine größere Planungssicherheit. Wenn BIM wirklich komplett gelebt wird, besteht in letzter Konsequenz eine höhere Transparenz und Kostensicherheit. Was mich daran auch reizt, ist, dass ich in einem frühen Planungsstadium bereits integriert das spätere Betreiben der Immobilie nachhaltig planen kann.
Muss man im Wohnbereich wieder verstärkt in die Höhe bauen?
Wir werden verdichten müssen, vor allem in den innerstädtischen Bereichen. Wir müssen es aber so tun, dass der Charakter der Stadt nicht verloren geht. Diesen Charakter liebe ich so, wie er ist.
Wie lässt er sich mit Ihren Worten beschreiben?
Mit einem Vergleich: Meine Lieblingsstadt ist New York. Dorthin reise ich sehr gern, aber immer nur für höchstens fünf Tage. Dann sind die Dimensionen dort für mich als Mensch zu überwältigend. Wenn ich dagegen nach Köln komme, bin ich immer in kleinteiligeren Strukturen, auch wenn wir baulich verdichten müssen und werden. Das ist ein Grund, warum sich die Menschen hier so wohl fühlen. Diese „menschlichen“ Proportionen finden sich hier in Köln, sowohl im innerstädtischen Bereich als auch in den neuen Gebieten wie dem Clouth-Gelände. In der Altstadt oder Südstadt, in Nippes, Ehrenfeld und Kalk treffen sie immer wieder auf Städtebau und Architektur, die der Mensch begreift. Ich weiß aber auch, dass wir an der ein oder anderen Stelle – wie beispielsweise im Deutzer Hafen – Hochpunkte schaffen müssen, denn Köln ist definitiv eine Metropole. Aber wie heißt es so schön: ‚Met Hätz’.
Kann man damit auch bei Investoren punkten, etwa bei der bevorstehenden Expo Real?
Ich hoffe und glaube es, denn die meisten wissen doch, was Köln ausmacht.

Markus Greitemann wurde vom Rat der Stadt Köln für acht Jahre zum Beigeordneten des Dezernats für Stadtentwicklung, Planen und Bauen gewählt. Seinen Dienst trat Greitemann am 1. Juni an. Der gebürtige Sauerländer studierte Architektur in Berlin und Dortmund. Als Diplom-Ingenieur war er in verschiedenen Unternehmen tätig. Zuletzt arbeitete der 57-Jährige als Dezernent des Gebäude- und Liegenschaftsmanagements der Universität zu Köln. Zu seinem jetzigen Dezernat gehören unter anderem das Stadtplanungsamt, das Amt für Stadtentwicklung und Statistik, das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen, das Bauaufsichts-amt sowie das Bauverwaltungsamt. Zum Amt des Beigeordneten zählt zudem die Position des 1. Betriebsleiters der städtischen Gebäudewirtschaft.
Was sind Ihre derzeitigen Lieblingsprojekte?
Aus städtebaulicher, architektonischer Sicht: Parkstadt Süd, Deutzer Hafen und Historische Mitte. Was ich aber zu meinem persönlichen Lieblingsprojekt erhoben habe, ist die Stärkung meiner Mitarbeiter.
Weil so viel auf sie eingedroschen wird?
Ja – weil zu viel Kritik an den Mitarbeitern persönlich geübt wird. Sie arbeiten wirklich sehr hart und engagiert, genauso wie ich auch. Sie haben Rahmenbedingungen, die hochkomplex sind. Sie haben Instrumente, an denen wir gemeinsam noch viel verbessern müssen. Das Gute ist: Die Projekte sind alle angestoßen. Meine Mitarbeiter brauchen jetzt wirklich einen Baudezernenten, der sie schützt und unterstützt, und das werde ich tun. Der weit überwiegende Teil der Menschen, die hier arbeiten, hat Lust auf Erfolg und darauf, Ergebnisse zu produzieren. Die nervt das genauso, wenn ein Baugenehmigungsantrag nicht schnell genug genehmigt werden kann.
Sie leben seit drei Jahren in Köln. Wo ist Ihr persönlicher Lieblingsort?
Das ist das Domumfeld. Ich liebe es, im Café Reichard zu sitzen und alles zu beobachten, was sich im Domumfeld abspielt und bewegt. Mir gefallen auch die Gebäude, das Laurenz Carré, mit all den Durchgängen, auch mit dem etwas angeschrammten Charme. Es wird eine echte Herausforderung, das zu erhalten und doch zu verbessern.
Interview: Marko Ruh, Fotos: Jan Knoff