Einstimmig wählte der Aufsichtsrat des Flughafens Köln/Bonn den Belgier Johan Vanneste vor gut einem Jahr um neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Flughafen Köln/Bonn GmbH. Mit seiner Berufung verbanden sich große Erwartungen: von der positiven Entwicklung des Flughafens über eine bessere Kommunikation bis hin zu einer neuen Art der Führung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Vanneste erklärt im Interview, was sich bereits verändert hat – und wo er die Zukunft des Flughafens für den Standort Köln sieht.

Johan Vanneste ist seit Mai 2018 neuer Vorsitzender der Geschäftsführung am Flughafen Köln/ Bonn. Davor war der belgische Luftfahrtingenieur vier Jahre als Präsident und Vorstandsvorsitzender für den Luxemburger Flughafen tätig. Umfangreiche Erfahrungen konnte er zudem in verschiedenen Führungsfunktionen bei Delta Air Transport, Brussels Airlines, VLM Airlines und TNT Airways sammeln. In Köln hat er zunächst einen Dreijahresvertrag abgeschlossen.
Herr Vanneste, Sie hatten einen herzlichen Empfang im Unternehmen, als Sie im vergangenen Jahr die Nachfolge von Michael Garvens als Chef am Flughafen Köln/Bonn übernahmen. Der Aufsichtsrat verband damit auch die Hoffnung auf einen Kulturwandel. Wie sieht es damit heute aus?
Das passiert nicht von heute auf morgen. Es bedeutet einen langfristigen Prozess, um eine neue Kultur innerhalb eines Unternehmens zu entwickeln. Was ich spüre: Mit den Bereichsleitern, dem Management-Team, unserem erweitertes Führungskreis – das läuft alles sehr locker. Ich glaube, dass die Stimmung im Unternehmen allgemein gut ist, aber wir sind noch nicht angekommen.
Sie befinden sich also noch auf dem Weg?
Vieles steckt in Kleinigkeiten. Wir haben uns zum Beispiel direkt entschieden, dass die beiden Geschäftsführer auf einer Etage sitzen. Erstens bringt das eine verbesserte Kommunikation. Zweitens gibt es nach außen ein Signal, dass wir eng miteinander arbeiten.
Was tun Sie ganz konkret für den angestrebten Kulturwandel?
Wir haben viele kleine Schritte unternommen, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Alle Führungskräfte waren beispielsweise in Schulungen zum Umgang mit ihren Mitarbeitern. Wir haben klare Unternehmenswerte festgelegt, wobei Respekt und Teamarbeit sehr wichtige Themen sind. Auch die Mitarbeiter untereinander sollen einen respektvollen Umgang pflegen. Darüber hinaus haben wir „Just Culture“ als Fehlerkulturinitiative gestartet. Jeder darf mal einen Fehler machen –, aber er muss ihn auch zugeben und reporten, damit man das Problem beheben kann. Nicht Bestrafen, sondern Korrigieren, Ausbilden, Schulen ist Inhalt unserer Fehlerkultur.
„Wir müssen das Unternehmen finanziell
wieder gesund machen.“
Merken Sie, dass diese Themen angenommen werden?
Ich führe Gespräche mit allen Führungskräften, auch weil ich sie besser kennenlernen möchte. Die ersten positiven Rückmeldungen zeigen mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir planen auch eine Mitarbeiterbefragung, die uns einen noch genaueren Eindruck vermitteln wird.
Streben Sie flachere Hierarchien an?
Wir haben Abteilungen, in denen es zu viele Ebenen gibt, und da schon Maßnahmen geplant, um dies zu vereinfachen. Eine meiner Aufgaben ist es in der Tat, die gesamte Führungsstruktur zu verschlanken, auch um in unserer angespannten finanziellen Lage zu sparen. Hierzu stelle ich eine neue Organisationsstruktur im Aufsichtsrat vor.
Was waren die größten Herausforderungen in Ihren ersten Monaten?
Herausforderungen gibt es viele. Die deutsche Sprache war am Anfang eine der größten für mich. Grundsätzlich gilt: Wir müssen das Unternehmen finanziell wieder gesund machen, das ist sicher die größte Herausforderung. Ein Flughafen verdient normalerweise viel Geld, weil man auch sehr viel in Infrastruktur investieren muss. Bevor ich anfing, hatte ich den Jahresabschlüssen schon entnommen, dass der Köln/Bonn Airport finanziell nicht gut dasteht. Aber als ich dann anfing, sah ich, dass es von innen betrachtet noch schwieriger war als gedacht. Für mich als Ausländer gibt es zudem viele Dinge in Deutschland, die ich von meinen vorherigen Tätigkeiten in anderen Ländern so nicht kannte: viele straffe Regelungen, das Steuerrecht und auch die weitreichende Mitbestimmung zum Beispiel. Dadurch läuft vieles langsamer, als ich es gewöhnt bin. Aber ich lerne, damit zu leben.
Entstehen daraus Wettbewerbsnachteile?
Das Ganze hat auch eine historische Dimension. So musste ich erst einmal klar machen, dass wir finanziell schlecht aufgestellt sind. Das habe ich wenige Tage nach meinem Antritt vor 500 Leuten auch so gesagt. Für viele war das ein Schock,weil man nie so genau auf die Bilanzen geschaut hat, sondern immer nur auf steigende Passagierzahlen und andere positive Dinge. Ich musste diesen Menschen erklären: Wir sind eine GmbH, ein privates Unternehmen, zwar in öffentlicher Hand, aber wir handeln als GmbH.
Auch wir haben aus den vergangenen Jahren vor allem positive Botschaften im Ohr …
Es ist auch ein schöner Flughafen: ein Flughafen der kurzen Wege mit einer riesigen Auswahl an Fluggesellschaften, auch an Billigfliegern, ein gutes Angebot im Retail und der Gastronomie. Ich denke, wir haben auch einen guten Ruf. Wir haben ein sehr großes Einzugsgebiet mit etwa 17 Millionen Passagieren innerhalb eines Radius von anderthalb Stunden Fahrt. Dazu drei Start- und Landebahnen und immer gutes Wetter – zumindest fast nie Schnee und selten Nebel. Das sind schon attraktive Voraussetzungen. Also haben wir auch großes Potenzial.
Was ist Ihre Vision für den Flughafen Köln/Bonn?
Es existieren sehr viele Ideen und auch Projekte, um diese zu verwirklichen. Dafür haben wir ein eigenes Projektmanagement eingeführt, um die ganzen Maßnahmen zentral zu steuern und zu koordinieren. Meine Vision ist: Die Kunden sollen Köln/Bonn als einen der besten Flughäfen Deutschlands wahrnehmen. Das Kundenerlebnis soll angenehm und komfortabel sein, was schon mit kleinen Sachen anfängt: genügend Parkplätze, kurze Wege bis zum Terminal, Self-Checkin, vollautomatische Kofferabgabe und vor allem keine Warteschlangen an der Sicherheitskontrolle.
Da bin ich manches Mal schon lange gestanden …
Mittlerweile dürfte Ihnen das nicht mehr passieren. Unsere aktuelle Statistik weist aus, dass weniger als ein Prozent der Passagiere länger als zehn Minuten warten muss. Als sehr hilfreich erweist sich eine Software, die wir zusammen mit einem spezialisierten Unternehmen und der Bundespolizei eingeführt haben. Diese trifft Vorhersagen, welche Passagiere in welcher Anzahl zu welcher Uhrzeit zu erwarten sind. Wir wissen zum Beispiel: Ein Ferienflug bedeutet sehr viel Gepäck und Passagiere, die schon zwei oder drei Stunden vorher eintreffen. Ein Geschäftsflug heißt dagegen wenig Gepäck und Reisende, die erst eine halbe bis eine Stunde vor Abflug ankommen. Aus diesen Erfahrungswerten errechnet uns die Software, wann wir wie viele Spuren öffnen sollten. Das klappt sehr gut und unterscheidet uns von vielen anderen Flughäfen. Ich habe übrigens noch nie warten müssen – und das liegt nicht daran, dass ich der Chef bin.
Das macht aber noch nicht die gesamte Customer Journey aus …
Nein, zur Convenience gehören auch ein schönes Angebot im Duty-Free-Bereich, bequeme Sitze mit Steckdosen oder Spielzeug für die Kinder. Wir bieten zum Beispiel Tischkicker in unseren Gatebereichen an und haben erst vor kurzem einen neuen Kinderspielplatz eingerichtet. All das sorgt dafür, dass die Passagiere einen angenehmen Aufenthalt in unserem Flughafen haben.
Wie steht es mit den Flugzielen?
Natürlich brauchen wir ein attraktives Angebot an Destinationen, da sehe ich noch Potenzial bei der Langstrecke. Hierzu führen wir gegenwärtig auch Gespräche mit Fluggesellschaften.
Welche Bedeutung haben Billigfluglinien und hohe Passagierzahlen für den wirtschaftlichen Erfolg?
Passagiere bringen Einnahmen, für uns vor allem im Non-Aviation-Geschäft, also Einzelhandel, Gastronomie, Parken usw. Die ganzen Lande- und Passagierentgelte sind eigentlich ein Nullsummenspiel, bei dem wir kein Geld verdienen. Ich finde es wichtig, Billigfluggesellschaften zu haben, weil das viele Passagiere bringt – aber wir sollten daran auch verdienen. Dafür brauchen wir letztlich einen gesunden Mix aus Billigfluggesellschaften, aber auch großen Airlines mit hochwertigen Produkten und Businesskunden wie Lufthansa, Turkish Airlines, TAP oder British Airways, die im letzten Winter Köln angeflogen sind.
„Die Kunden sollen Köln/Bonn als einen der
besten Flughäfen Deutschlands wahrnehmen.“
Wodurch versprechen Sie sich höhere Umsätze im Passagierbereich?
Hier verfolgen wir verschiedene Ansätze zur Weiterentwicklung. Zum Beispiel arbeiten wir an einem Konzept, den Passagierfluss anders zu lenken, verhandeln neu mit den verschiedenen Betrieben im Terminal und arbeiten auch an Neuausschreibungen im Duty-Free-Bereich. Perspektivisch haben wir die Idee, deutlich mehr Unternehmen an den Flughafen zu holen – in die Airport City. Das neue Moxy-Hotel, das derzeit gebaut wird, ist ein guter Anfang.
Welche Bedeutung hat das zweite Standbein des Köln-Bonner Flughafens, die Fracht?
Wir sind ein riesiger Standort im Frachtbereich, inbesondere für die Expressfracht. Bei diesem Geschäft werden Waren und Sendungen binnen 24 Stunden weltweit verteilt. Die Nachtfluggenehmigung ist hierfür sehr, sehr wichtig – nicht nur für uns als Flughafen, sondern auch für den gesamten Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Da hängen viele Arbeitsplätze dran. Die Bedeutung der Luftfracht ist also sehr groß.
Köln ist ja insgesamt eine große Logistikdrehscheibe im Herzen Europas.
Ja, bei uns betreiben die Global Player UPS und FedEx wichtige Europa-Drehkreuze. Auch DHL ist hier zuhause.UPS ist unser größter Frachtkunde, auch für FedEx sind wir ein bedeutender Langstreckenknotenpunkt. Alle großen Maschinen wie die Boeing 777 kommen hier rein, werden dann im Frachtsortierzentrum umgeladen. Ein Teil geht weiter nach Paris für den europäischen Markt, ein anderer Teil wird über andere Langstreckenflüge weiterversandt.
Und der Frachtbereich soll weiter wachsen?
Langfristig gehen wir davon aus. Dahinter steckt eine Marktentwicklungsprognose, die wir 2017 im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens beauftragt haben. Wenn man im Frachtbereich mit ungefähr vier Prozent Wachstum pro Jahr rechnet – ergibt sich bis 2030 etwa eine Verdopplung der Frachtmenge. Das kriegen wir jedoch hin, ohne die Anzahl der Flüge zu verdoppeln, wie man vielleicht zunächst denkt. Im Gegenteil: Die Verkehrseinheiten für Passagiere und Fracht sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen – dennoch haben wir heute weniger Flugbewegungen als im Jahr 2000. Die Verkehrseinheiten, also Passagiere und Fracht, haben sich seitdem dagegen mehr als verdoppelt.
Das heißt, Sie gehen nicht von doppelt so viel Starts und Landungen in 2030 aus?
Nein. Wie ich erläutert habe, bedeutet doppelt so viel Volumen nicht doppelt so viel Flugzeuge. Dazu muss man bedenken: Früher waren die Flugzeuge wesentlich lauter. 2002 gab es noch die alte 747, die 727 und die DC8 – alles viel lautere Maschinen als beispielsweise die ganz neue Frachtversion der ‚Triple Seven’ (Boeing 777). Viel leiser ist auch die Boeing 747-8F, die seit rund fünf Jahren im Einsatz ist. Und wir haben viel dafür getan, die alten Flugzeuge raus zu bekommen und die neuen umweltfreundlicheren rein.
Wie können Sie als Flughafen das beeinflussen?
Indem wir ihren Einsatz mit niedrigeren Entgelten für leisere Flugzeuge fördern. In diesem Jahr wird die Boeing 777 erstmals die MD11 von der Zahl der Einsätze her übertreffen. Dieses Rabattsystem, das wir 2015 eingeführt haben, ist ziemlich einzigartig und gibt es in dieser Form in Deutschland sonst nicht. Ich habe gehört, dass Brüssel so etwas 2020 auch einführen will. Übrigens sind auch im Passagierbereich einige neue Flugzeuge auf den Markt gekommen, die deutlich leiser sind als ältere Modelle und weniger Treibstoff verbrauchen. Moderne Flugzeuge sind nicht nur leiser, sie haben durch ihren geringeren Verbrauch einen gigantischen Wettbewerbsvorteil, weil Treibstoff den höchsten Kostenanteil ausmacht. Deshalb kaufen Fluggesellschaften gern die neuesten, sparsamsten Modelle. Gleichzeitig werden wir weiter intensiv daran arbeiten, Fluglärm zu minimieren.
„Die Verkehrseinheiten für Passagiere und Fracht
sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich
gewachsen – dennoch haben wir heute weniger
Flugbewegungen als im Jahr 2000.“
Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Friedrich Merz spricht sich klar für eine Nachtfluggenehmigung über das Jahr 2030 hinaus aus, um mehr Planungs- und Investitionssicherheit zu erlangen. Was können Sie dazu sagen?
Grundsätzlich ist eine Nachtfluggenehmigung gegeben. Aber die Maßnahmen, die diese Genehmigung begleiten, enden 2030. Wir haben noch keinen Antrag für eine Verlängerung gestellt. Klar ist, dass wir nicht bis 2029 warten können, bis wir wissen, wie es mit der Betriebsgenehmigung weitergeht.
Welche Impulse kann ein erfolgreicher Flughafen dem Köln-Bonner Wirtschaftsraum geben?
Unsere Aufgabe ist es, dass wir ein glaubwürdiger Partner für die ganze Umgebung sind. Dieser Flughafen ist eben auch ein Qualitätsmerkmal für den gesamten Standort. Das strahlt wirtschaftlich in vielerlei Hinsicht aus. Wir stehen zum Beispiel in ständigem Austausch mit der Koelnmesse, deren Besucher in großer Zahl mit dem Flugzeug anreisen. Die gute Anbindung ist ein wichtiger Faktor für die Messe. Deshalb habe ich auch einen guten Kontakt zu Herrn Böse, weil wir wissen, dass wir voneinander abhängig sind.
„Unsere Aufgabe ist es, dass wir ein glaubwürdiger
Partner für die ganze Umgebung sind. Dieser
Flughafen ist eben auch ein Qualitätsmerkmal
für den gesamten Standort.“
Sie selbst arbeiten nun seit einem Jahr in Köln. Was waren für Sie ganz persönlich prägende Eindrücke in der neuen Stadt?
Meine Frau und ich sind für meine neue Tätigkeit aus Luxemburg nach Bayenthal umgezogen. Dort gibt es viele schöne Ecken und Entwicklungen, es gibt einen Skate-Park, ein Beachvolleyfeld, schöne neue Wohngebäude, die Kranhäuser … Vor allem die Rheinpromenade gefällt mir sehr. Wir spazieren hier gerne, fahren viel Fahrrad, ich laufe regelmäßig, und es gibt viele wunderbare Restaurants. Sehr beeindruckend fand ich auch die Kölner Lichter. Und was ich erstaunlich finde: Am Rheinufer scheinen alle Bierflaschen dabei zu haben. In Belgien wird man für so etwas verhaftet! (lacht) Diese lockere Picknickatmosphäre am Rheinufer zeigt aber auch: Köln ist eine wirklich entspannte Stadt.
Interview: Marko Ruh, Fotos: Birgitta Petershagen