Seit Jahrzehnten befindet sich der Firmensitz der TÜV Rheinland AG und ihrer Vorgängerorganisationen in Köln-Poll. Beim zweitgrößten TÜV Deutschlands arbeiten weltweit knapp 20.000 Mitarbeiter, davon rund 2.500 in Köln. Vorstandsvorsitzender Dr. Michael Fübi spricht im Interview über höchst motivierte Mitarbeiter und die Investitionen in die Firmenzentrale in Köln-Poll.
Herr Dr. Fübi, derzeit wird das Hauptgebäude des TÜV Rheinland – der „Turm“ – zwar umgebaut, aber in Ihrem dortigen Büro haben Sie dann Domblick, oder?
Habe ich – und ich habe von dort aus den Blick in viele Richtungen. Ich sehe das linksrheinische Köln genauso wie das Siebengebirge, aber auch nach Norden zu Ford, Bayer und am Horizont Düsseldorf mit dem Fernsehturm. Das ist für mich als Neu-Kölner besonders interessant: Köln von oben kennenzulernen und diese Aussicht zu genießen.
Was sprach eigentlich für das rechtsrheinische Köln-Poll als Standort, zu dem Sie sich mit der aufwendigen Renovierung ja erneut bekennen?
Die grundsätzliche Standortentscheidung ist ja schon vor vielen Jahren – Anfang der Siebziger Jahre – getroffen worden. Damals waren wir hier die ersten. Heute haben wir auf unserem Business Park diverse Gebäude und den Campus der TÜV Rheinland-Akademie – LANXESS, Lufthansa, Messe und RTL sind nahe Nachbarn. Die Fläche, die wir brauchen, finden sie in Köln nicht nochmal. Zudem haben wir die Option, zusätzliche Flächen in der unmittelbaren Umgebung zu bebauen, falls wir erweitern würden. Momentan haben wir rund 2.500 Mitarbeiter in ganz Köln, aber es werden mehr.
Wird der TÜV Tower größer?
Nein, er wird aber etwas anders gestaltet. Es geht mehr zu Teamflächen statt den Einzelbüros.
Gibt es denn Expansionspläne?
Mit dem Seehaus haben wir ja gerade expandiert. Zusammen mit der neuen Energiezentrale und der Hochhausrenovierung investieren wir innerhalb von vier Jahren 60 Millionen Euro. Das ist schon viel für ein Unternehmen wie uns, das praktisch keine Produktionsanlagen besitzt. Im Ausland nutzen wir üblicherweise nur angemietete Flächen. Aber hier am Heimatstandort haben wir Eigentum.
Kölnmagazin: Und in absehbarer Zukunft?
Wir wollen als Unternehmen auf jeden Fall weiter wachsen. Wir haben die gute Situation, dass wir einen Großteil des Geldes, das wir verdienen, nutzen können, um neu in Wachstum zu investieren. Letztes Jahr hatten wir ein Umsatzwachstum von acht Prozent, im Jahr davor war es ähnlich. Das ist schon wirklich gut. Es ist eine Menge Drive im Unternehmen.

Für Wachstum braucht man geeignete Mitarbeiter. Gerade in den Ingenieurwissenschaften gilt der Fachkräftemangel jedoch als besonders eklatant. Wie kommen Sie damit klar?
Bei uns merken wir es – noch – nicht so stark und wir tun einiges dafür, dass es so bleibt. Wir haben einen guten Namen und gelten als guter Arbeitgeber, der viel in seine Mitarbeiter investiert. Bis ein Hochschulabsolvent als späterer Sachverständiger wirklich Geld für’s Unternehmen einbringt, investieren wir erst einmal zwei bis drei Jahre in seine Ausbildung. Und das wird anerkannt: Unsere Mitarbeiter sind ungeheuer motiviert und gerne bei uns. Das merkt man in unserem Unternehmen, und das strahlt ja dann auch in den Freundeskreis ab.
Kölnmagazin: Könnte es auch an dem attraktiven Standort liegen?
Absolut: Köln spielt im Vergleich der Standorte auf jeden Fall schon in der Champions League Qualifikation mit.
Stammt der Nachwuchs in Ihrem Haus auch direkt aus Köln? Oder rekrutieren Sie junge Talente eher überregional?
Wir suchen ja nicht nur Mitarbeiter für Köln. Die Rekrutierung organisieren wir hier zentralisiert. Das meiste läuft heutzutage ja ohnehin online, bis es dann zu einem Bewerbungsgespräch kommt. Ein wichtiger Partner ist die RWTH in Aachen. Ich habe selbst in Aachen studiert, und da gab es viele Kommilitonen, die dann nach Köln gegangen sind. In Aachen gibt es alleine schon wegen der Größe der Stadt nicht so viele Jobs und wer in der Gegend bleiben möchte, kommt gerne nach Köln. Außerdem haben wir viele Bewerber, die gezielt den Wunsch äußern, international arbeiten zu wollen. Wir haben wirklich Leute, die fangen als Hochschulabsolventen bei uns an und gehen direkt am ersten Tag zum Beispiel nach Japan. Und kehren dann erst nach 15 Jahren wieder nach Deutschland zurück.
Die Bereitschaft zu Dienstreisen und Auslandseinsätzen muss bei Ihnen also vorhanden sein?
Ja, absolut. Es ist eher anders herum sogar so, dass die Leute zu uns kommen gerade wegen der Internationalität.
Kölnmagazin: Ohne den internationalen Fokus geht es heutzutage für ein größeres Unternehmen wohl auch gar nicht mehr?
Nein. Sonst wird man überrollt oder bleibt klein. Man bekommt dann auch nicht die guten Talente. Gerade am Anfang einer Karriere sagen viele „ich möchte was erleben und was sehen“, und möchten bewusst in verschiedene Länder gehen und etwas aufbauen. Diese Mitarbeiter kommen dann wiederum mit einem großen Erfahrungsschatz zurück. Man sieht das auch in den Führungsgremien. In unseren Management Meetings beispielsweise wird Englisch gesprochen. Sobald wir einen dabei haben, der kein Deutsch kann, wird grundsätzlich Englisch gesprochen.
Gleichzeitig heißt unser Unternehmensbericht 2014 „Verwurzelt“. Wir sind ein globales Unternehmen mit deutschen Wurzeln, und genau diese Kombination finden auch viele unserer Kunden gut. Da schwingt die deutsche Genauigkeit und Verlässlichkeit mit.
Nimmt das internationale Geschäft zu?
Es wächst schneller als das nationale Geschäft. Wir haben jetzt vom Umsatz her ein Verhältnis von 50-zu-50, von den Mitarbeitern haben wir mittlerweile fast 60 Prozent im Ausland beschäftigt. Da sind wir in letzter Zeit stärker gewachsen als im Inland.
Tätig sind Sie weltweit?
Ja, in 69 Ländern.
Und die Strippen laufen hier in Köln zusammen?
(Lacht) Ich hoffe doch – Köln als Nabel der TÜV-Welt.
Trotz der weltweiten Aktivitäten sind Sie also ein Kölner Unternehmen. Kann man das sagen?
Ja, der Firmensitz der TÜV Rheinland AG befindet sich in Köln. Und auch unser Eigentümer, der TÜV Rheinland Berlin Brandenburg Pfalz e.V., hat seinen Sitz hier in Köln.
Sind Ihre Mitarbeiter in Deutschland viel unterwegs?
Teils. Die meisten sind tatsächlich viel auf Dienstreisen. Aber hier in Köln befindet sich ja auch unsere Hauptverwaltung mit dem Vorstand und seinen Stäben. Hier arbeiten viele, die weniger unterwegs sind. Und wir haben hier am Standort Labors, in denen die Mitarbeiter ebenfalls meist vor Ort sind.
Sind Sie der größte der TÜVs?
Wir haben heute drei große Unternehmen in Deutschland, die TÜV im Namen tragen. Die großen drei sind aus vielen kleinen entstanden. 1964 waren es bei uns beispielsweise erst 600 Mitarbeiter, heute sind wir weltweit knapp 20.000 – und das in 50 Jahren. Ein Teil dieses starken Wachstums liegt am Zusammengehen mehrerer TÜVs. Aus den regionalen kleinen Unternehmen sind in den letzten 50 Jahren Wettbewerber geworden, wir sind im Vergleich mit allen Prüfunternehmen weltweit die Nummer sieben und der zweitgrößte TÜV.
Ist diese Welle der Fusionen mittlerweile abgeschlossen?
You never know… Im Ernst: Das ist nichts, was wir momentan auf der Agenda haben.
Wie fällt Ihre persönliche Bilanz nach den ersten Monaten aus?
Ich bin in einem tollen Unternehmen, es macht mir unglaublich viel Spaß, hier zu arbeiten. Die hohe Motivation der Mitarbeiter spüre ich jeden Tag und das ist nichts, was ich nur so dahinsage, sondern es springt einen förmlich an. Letztens war ich in den USA, da kam eine Mitarbeiterin auf mich zu und sagte: „Ich bin seit 15 Jahren beim TÜV Rheinland und es macht einfach immer noch Spaß, hier zu arbeiten.“ Solche Erlebnisse sind keine Einzelfälle und zeigen, dass die Mitarbeiter wirklich gern im Unternehmen arbeiten, gleichzeitig aber auch eine hohe Identifikation mit der Arbeit haben. Auch dadurch, dass wir für Sicherheit und Qualität arbeiten – das ist etwas, mit dem sich jeder identifizieren kann. Man kann mit gutem Gewissen sagen: Ich tu was Gutes! Das bringt eine unheimlich hohe Motivation in die Mannschaft.
Sie haben also kein Image-Problem?
Bei unserer Tätigkeit gibt es keine kontroversen Meinungen. Da sagen alle: Das ist gut, was ihr da macht und es ist wichtig, dass es euch gibt.
Ist die Sanierung des Hochhauses und die Verbesserung der Energieeffizienz Ihrer Gebäude auch ein Imagethema?
Es ist eine Kombination: Wir sparen dadurch ja die Hälfte der Energiekosten. Außerdem: Als ich im Januar dort eingezogen bin, herrschten, wenn die Sonne schien, auf der einen Seite des Turms 30 Grad Celsius in den Büros und auf der anderen Seite haben Sie gefroren – weil da so viel schlecht isolierte Fensterfläche ist. Das Gebäude wurde Anfang der 1970er-Jahre gebaut und ist jetzt einfach sanierungsbedürftig. Was man als Fassade sieht, wird komplett entfernt und durch eine neue Fassade mit dreifachverglasten Scheiben ersetzt und Fenstern, die man auch öffnen kann. Und natürlich: Wenn wir energetische Gebäude zertifizieren und für Qualität und Energieeffizienz einstehen, dann muss man das auch selbst zuhause machen.

Dr. Michael Fübi ist seit 2015 Vorsitzender des Vorstands der TÜV Rheinland AG. Seinen beruflichen Werdegang startete Dr. Michael Fübi 1995 bei Babcock Borsig. 2002 wechselte Dr. Fübi zum RWE-Konzern, in dem er unter anderem vier Jahre den Bereich Klimaschutz der RWE Power geleitet hat, bevor er 2010 in die Geschäftsführung der RWE Technology berufen wurde. Bis Ende 2014 war Dr. Fübi Vorsitzender des Vorstands im europäischen technischen Fachverband für Strom- und Wärmeerzeugung VGB PowerTech. Der promovierte Ingenieur wurde 1967 in Düsseldorf geboren.
Und wie gefällt es Ihnen privat in Köln?
Ich wohne selbst jetzt auch in Köln. Von meiner Wohnung schaffe ich es in acht Minuten hierher – ich muss einfach nur über die Severinsbrücke fahren. Das ist Lebensqualität. Und ich weiß nicht, ob es nur mir so leicht gemacht wurde oder ob es die Kölner allen so leicht machen: Mir fällt es jedenfalls sehr leicht, mich hier wohlzufühlen. Im Übrigen bin ich sowieso eine rheinische Frohnatur – und der Kölner Karneval ist wirklich schöner als der Düsseldorfer, das muss ich als Düsseldorfer zugeben. Ich freu mich jetzt, noch mehr hier in Köln kennenzulernen, wenn es warm ist und man viel draußen sein kann.
Interview: Marko Ruh, Fotos: Birgitta Petershagen