Als Vorstandsvorsitzende der Kölner Wissenschaftsrunde arbeitet Prof. Dr. Elisabeth Fröhlich daran, das Wissenschaftsprofil Kölns weiter zu stärken. Großes Potenzial für die Stadt und die Region sieht die Wirtschaftswissenschaftlerin in der engen Zusammenarbeit zwischen Lehrbetrieb der Hochschulen und Wirtschaft.
Frau Professor Fröhlich, seit vielen Jahren engagieren Sie sich für die Wissenschaft. Welche Rolle spielt sie für Sie in der heutigen Zeit?
Ich glaube Wissenschaft ist etwas, das die Zukunftsprobleme löst. Köln ist ein sehr gutes Beispiel, weil wir alles an Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen vor Ort haben. Ich würde Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft dabei immer als Dreiklang sehen, in dem sich die einzelnen Bereiche gegenseitig ergänzen und befruchten. In Köln ist von der Alternsforschung über Weltraumforschung und -medizin bis hin zu Technik- und Managementfächern ein guter Grundstock vorhanden, auf dem die Zukunft gebaut wird. Ohne Wissenschaft wird es dabei nicht funktionieren.
Sie sind Vorsitzende der Kölner Wissenschaftsrunde (KWR). Wie hat diese Funktion Ihren Blick auf Köln verändert?
Seitdem ich im Vorstand der Kölner Wissenschaftsrunde aktiv bin, ist mir viel klarer geworden, wie die einzelnen Player vor Ort zueinander stehen. Zu verstehen, wer welche besonderen Stärken hat und wie man gemeinsam arbeiten kann, ist für mich das Positive an der Wissenschaftsrunde. Es geht bei unserer Arbeit um ein Miteinander und das schafft ein gutes Wir-Gefühl. Im konstruktiven Dialog kann man sehr viel erreichen. Wir haben ein faszinierendes Spektrum an Persönlichkeiten und Organisationen. Die Universität zu Köln und die Technische Hochschule sind genauso vertreten, wie ein extrem breites Spektrum an privaten Hochschulen und weiteren Forschungszentren. Auch die Kunsthochschulen sind dabei. Der stärkere Versuch, alle ins Boot zu holen, ist schon ein Aspekt der sich verändert hat. Als Partner außerhalb des Wissenschaftsbetriebs sind außerdem die IHK und die Stadt dabei. Die Oberbürgermeisterin ist Schirmherrin der KWR.

Zu welchen konkreten Ergebnissen hat der verstärkte Austausch geführt?
Wir haben beispielsweise mit „Wissenschaft in Kölner Häusern“ und „Wissenschaft im Rathaus“ zwei etablierte Veranstaltungsformate. Es gibt natürlich noch Luft nach oben, aber in beiden Fällen konnten wir Veranstaltungstermine anbieten, die von um die hundert Kölner Bürgerinnen und Bürger angenommen werden. Das Format im Rathaus gibt es schon längere Zeit. „Wissenschaft in Kölner Häusern“ startete 2014 und soll Wissenschaft mit spannenden Orten zusammenbringen. Bei „Wissenschaft in Kölner Häusern“ hatten wir zuletzt im zweijährigen Wechsel Themenjahre. Davon wollen wir weg, weil es schon schwierig ist, im Gesamtverlauf eines Jahres den Spannungsbogen zu halten. Mit den Kunsthochschulen zusammen verfolgen wir aktuell die Idee, eine Wissenschaftsveranstaltung mit stärkerem Erlebnis-Charakter anzubieten und in einen Themenmonat einzubetten. Es sind definitiv neue Veranstaltungsformate angedacht.
Der jüngste Kölner Wissenschafts-Wirtschaftsbericht zeigt den Wert von Köln als Wissenschaftsstandort. Was sind für Sie die drei wichtigsten Ergebnisse?
Wissenschaft hat auch die Funktion als einer der größten Arbeitgeber und ist ein richtiger Jobmotor in Köln. Die Wertschöpfung, die aus der Wissenschaft kommt, ist immens. Damit sind Potenziale verbunden, die über das zukünftige Wachstum Kölns mitbestimmen. Was mir gut gefällt, ist, dass Köln sich mit allen großen Zukunftsthemen auseinandersetzt. Aus meiner Perspektive als BWLerin sind die drei wichtigsten Trends Globalisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. In allen drei Bereichen sind wir extrem gut aufgestellt und machen viel. Auch wenn man Felder wie die Alternsforschung des Max-Planck-Instituts oder den medizinischen Sektor betrachtet, findet man Aspekte dieser drei Trends wieder. Unter diesen drei großen Schirmen kommt in der Wissenschaft aktuell vieles unter. Was wir immer versuchen deutlich zu machen, ist, dass man Digitalisierung, Globalisierung und Nachhaltigkeit nicht separat denken darf. Unter reinen Vertriebsaspekten ist das vielleicht noch etwas ungewohnt, aber Digitalisierung bedarf eines Nachhaltigkeitsverständnisses, wenn sie funktionieren soll. Technisch gesehen kann man natürlich jedem Konsumenten bieten, was er haben möchte. Dabei sind viele Dinge vom Ressourceneinsatz her einfach nicht mehr abzubilden.
Wo können wir sonst noch besser werden?
Wir haben in Köln einen sehr starken Wissenschaftsfokus. Wissenschaft wird breit in die Gesellschaft kommuniziert. Im Vergleich zu anderen Städten ist unsere Verbindung zur Wirtschaft noch ausbaufähig. Ich meine, wir könnten hier neue Wege gehen, um die Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft deutlicher zu machen. Ich glaube auch, dass viele Mittelständler in dieser Hinsicht gar nicht wissen, was sie von Köln haben. In anderen Städten, wie etwa Aachen, ist das anders. Dort glauben alle an die Expertise, die bei technischen Themen von der RWTH kommt. Bisher entsprach eine solche Sicht aber auch nicht dem Selbstverständnis der Wissenschaftsrunde. Wir sind gerade selbst dabei zu diskutieren, welche Veränderungen wir wollen und wie sie aussehen könnten.

Wie ist Köln bei Zukunftsthemen wie der Digitalisierung zum heutigen Zeitpunkt aufgestellt?
Deutschland wird generell in Zukunft weltweit ganz vorne sein, wenn es um den B2B-Bereich geht. Wir investieren stark in die Dinge, an die wir glauben. Im Gegensatz zum Beispiel zu den Amerikanern, die ihre Investitionen viel mehr streuen. Köln und Umgebung hat eine große Anzahl von Hidden Champions. Es gibt viel Potenzial, wir brauchen uns da keine Sorgen zu machen. Aber es gibt schon noch einige Unternehmen, die sich stärker um die Digitalisierung kümmern müssen.
Und wie sieht es bei den anderen beiden, von Ihnen genannten großen Themen aus?
In Köln finde ich zunächst einmal diese gesunde Mischung aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sehr positiv. Man kann auch von den Kulturstudiengängen viel lernen. Digitalisierung, Globalisierung und Nachhaltigkeit finden zum Beispiel auch an der Kunsthochschule statt. Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur in einer so hohen Qualität hat sonst kaum eine Stadt. Im November ist unsere große CSR-Konferenz, zu der das Who-Is-Who der Nachhaltigkeit in die Stadt kommt (Anm. d. Red.: 8th International Conference on Sustainability & Responsibility, 14–16.11.2018, www.international-csr.org). Wenn man sieht, wie wohl sich die Kollegen aus aller Welt hier fühlen, dann spricht das schon für Köln. Wir bekommen auch weltweite Anfragen für Gastprofessuren und merken, welcher gute Spirit von Köln ausgeht. Es ist eine Stadt, in der man etwas verändern kann.

Zukunft braucht auch gute Führung – wie sieht für Sie als studierte Betriebswirtin ein zukunftsfähiges Management aus?
Ich bin ein großer Verfechter eines neuen Management-Verständnisses. Wir müssen leider sagen, dass politisch immer nur die Technik gepusht wurde. Management oder BWL waren nie Fachbereiche, in die man besonders stark investiert hat. Heute bekommt man die Quittung dafür. Manche Manager sind nicht mehr in der Lage, die Dinge so umzusetzen, wie sie eigentlich umgesetzt werden müssten. Sich nur auf das Controlling zu konzentrieren, funktioniert nicht mehr. Die Veränderungen in diesem Bereich haben viel mit Bildung zu tun. Zu hinterfragen, ob bestimmte Wege noch richtig sind, wird aber leider nicht immer belohnt, sondern eher bestraft. Das muss sich ändern. Im Englischen gibt es die Begriffe „responsibility“ und „accountability“. So etwas haben wir im Deutschen nicht, wir sprechen immer nur von Verantwortung. Aber Verantwortung in dem Sinne, dass man für sein Tun auch geradesteht, ist im hiesigen Managementverständnis oft nicht vorhanden. Hier fehlt der Unternehmergeist. Deswegen wäre es schön, wenn wir wieder Manager ausbilden würden, die dieses Unternehmergen haben. Es geht darum, Dinge zu entscheiden und mit den Konsequenzen auch umgehen zu können.
Welche Rolle spielen dabei Frauen als Managerinnen?
Ich bin aktuell Schirmherrin des Crossmentoring-Projekts „Frauen in Führung“ und glaube, dass Frauen nützliche Eigenschaften besitzen, wenn es um das Thema Führung geht. Persönlich mag ich die Sichtweise nicht, dass man es besonders schwer habe, weil man eine Frau ist. Als Frau verfüge ich über Eigenschaften, die es mir erleichtern, meine Karriere zu forcieren. Wenn ich als Frau in meinem Verhalten zu einem Mann werde, habe ich verloren. Es geht darum, sich in männergetriebenen Bereichen kompetitiv aufzustellen. Frauen und Männer haben Eigenschaften, die man integrieren muss. Im guten Miteinander können wir viel erreichen.

Was ist Ihr Ratschlag, um weiter qualifizierte Wissenschaftler aus dem Ausland zu gewinnen?
Die Kölner Hochschulen haben schon jetzt relativ viele Anfragen aus dem Ausland. Köln wird als attraktive Studienstadt wahrgenommen. Wenn wir an der Cologne Business School mit unseren ausländischen Studierenden sprechen, dann sind die meisten sehr positiv angetan von der Stadt. Köln ist ja wirklich eine sehr offene Stadt. Aber vielleicht müsste es insgesamt besser gelingen, ausländischen Studierenden hier auch ein echtes Zuhause zu bieten. Wer aus Asien, Russland oder von anderswo hierher kommt, kann oft nicht ohne Abschluss wieder zurück. Qualifizierungsinitiativen von der IHK und anderen sind teils nicht speziell auf diese Gruppe zugeschnitten.
Und wie sieht es bei hochqualifizierten Fachkräften aus?
Über das DLR und andere Institute binden wir viele Wissenschaftler aus dem Ausland, die in Köln arbeiten. Manche Unternehmen sind trotzdem etwas unflexibel, beispielsweise was die Deutschkenntnisse angeht. Zu diesem Punkt würde ich mit dem Mittelstand gern weiter ins Gespräch kommen. Wir könnten in einem gemeinsamen Forum überlegen, was man den Leuten anbieten kann, die der Mittelstand so dringend braucht. Da steht auch die ganze Kölner Wissenschaftsrunde dahinter. Wir kennen alle den Fachkräftemangel. Die Frage ist eben, wie wir ihn in den Griff bekommen.
Was macht Köln für Sie ganz persönlich lebenswert?
Köln ist eine interkulturelle Stadt. Es herrscht insgesamt eine große Verbundenheit. Es ist außerdem eine Stadt mit einem sehr hohen Freizeitwert. Ich selbst bin in den Bergen groß geworden. Für mich ist es deshalb auch faszinierend, dass man von Köln aus in zwei Stunden am Meer sein kann. Köln hat insgesamt eine starke kulturelle Komponente. Was das angeht, kann man in der Stadt eigentlich alles bekommen.

Prof. Dr. habil. Elisabeth Fröhlich ist Vorsitzende der Kölner Wissenschaftsrunde (KWR). Die Diplomkauffrau und studierte Betriebswirtschaftlerin stammt ursprünglich aus dem österreichischen Klagenfurt. Studiert hat sie zunächst in München, dann in Köln. Seit 2007 hat sie eine Professur für Strategisches Beschaffungsmanagement an der Cologne Business School (CBS) inne. Seit 2013 ist sie Präsidentin der Hochschule und seit 2014 auch Wirtschaftsbotschafterin der Stadt Köln
Interview: Marko Ruh, Fotos: Birgitta Petershagen